Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Peter Füssl · 20. Nov 2017 · CD-Tipp

Torres: Three Futures

Das vor zwei Jahren erschienene, fabelhafte Album „Sprinter” brachte Torres, die eigentlich Mackenzie Scott heißt, eine größere Fan-Gemeinde ein. Nicht etwa, weil das Album so leicht zu konsumieren gewesen wäre, sondern weil es in seiner Direktheit und Unmittelbarkeit, in seiner gnadenlosen Zurschaustellung von Ängsten und Obsessionen faszinierend war und von einer kraftvoll hypnotisch wirkenden Stimme getragen wurde. Die aktuelle Produktion „Three Futures“ der mittlerweile 26-jährigen, in New York lebenden Singer-Songwriterin geht um nichts weniger unter die Haut als das Vorgängeralbum.

Musikalisch ist die Gitarre in den Hintergrund getreten zugunsten mechanischer Drumcomputer-Grooves und einer ganzen Armada aus Synthesizern, mit denen sie einen wirkungsvollen Hybrid aus Electro-Pop, Goth-Punk und Indie-Rock erschaffen hat. Torres versuchte sich auch an einem neuen Songwriting-Prozess. Sie stellte sich das Album als Haus und jeden der zehn Songs als einen Raum vor, der nicht nur mit den Ohren, sondern mit allen Sinnen erfassbar sein sollte. Schließlich interpretierte sie das Haus als Symbol für das Unterbewusstsein und jedes Zimmer als eine seiner Manifestationen. Wer Torres kennt, weiß, dass es ein düsteres Gedankengebäude ist, das der schonungslosen Selbstbeobachtung dient. Sie stellt sich ihren Ängsten und Unsicherheiten, Verwirrungen und Identitätsproblemen, ihrer Wut und ihrer Verzweiflung und thematisiert Probleme mit Körperlichkeit und Sexualität (man beachte Torres’ maskuline Pose auf dem Cover) – textlich kippt das aber oft ins Kryptische oder Surreale. Torres’ manchmal seltsam unterkühlt wirkende, dann wieder vor Expressivität fast berstende, brechende oder sich überschlagende Stimme ist das perfekt passende Transportmittel für ihre Seelenpein, die ihren musikalischen Ausdruck manchmal auch in fast schon schmerzhaften Störgeräuschen oder exzessiven Noise-Orgien findet. Schönheit und Hässlichkeit, Reales und Surreales sind nur verschiedene Seiten derselben Medaille. Das alles ist aber nicht wirklich greifbar, sondern zieht einen in einen unentwirrbaren Strudel hinein, aus dem man nur schwer wieder herauskommt. Bis man sich beim eigenartigen Gedanken ertappt, dass man möglicherweise gar nicht wieder heraus will. (4AD/Beggars)

Konzert-Tipps: Wer Torres sehen will, muss am 16.11. ins Ampere in München.