Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Peter Füssl · 07. Jun 2021 · CD-Tipp

Tony Allen: There Is No End

Der am 30. April 2020 im Alter von 79 Jahren in seiner Wahlheimat Paris plötzlich an einem Aneurysma der Bauchaorta verstorbene Drummer Tony Allen war einerseits eine echte Legende der Musikgeschichte, andererseits aber auch bis zuletzt mit ungebrochener Abenteuerlust und beispielhaftem Forscherdrang am Hier und Jetzt der jungen Szene interessiert. Der 1940 in Lagos geborene, diverse Einflüsse aus dem amerikanischen Jazz und der traditionellen Musik seiner Heimat mit großem Einfallsreichtum kombinierende Autodidakt erlangte Berühmtheit als Drummer und musikalischer Leiter von Fela Ransome Kutis stilbildender Band Africa ’70. Diese mitreißende, unter der Bezeichnung Afrobeat firmierende Mischung aus Jazz, Highlife und traditionellen afrikanischen Rhythmen ist auf mehr als vierzig Alben festgehalten. In seine eigenen Projekte integrierte Allen zudem diverse elektronische Spielarten, Dub und Hip-Hop und schuf so seinen ganz speziellen Afrofunk. Aufsehen erregten auch Kollaborationen mit Ginger Baker oder mit Blur- und Gorillaz-Mastermind Damon Albarn in der Band The Good, The Bad & The Queen.

Mit seinem neuesten Projekt, das sein letztes werden sollte, wollte Tony Allen nun interessanten jungen Rapper*innen und Sänger*innen aus aller Welt eine Bühne bieten, indem er für sie auf sie individuell zugeschnittene, mit seinen unverkennbaren Grooves grundierte Soundteppiche schuf. Als Vorbereitung dazu studierte Allen ikonische Hip-Hop-Songs, aus denen er die rhythmischen Essenzen herausdestillierte und in seinen schweißtreibenden Stilmix integrierte. „I play yours, you play mine. The music never ends“, lautet Tony Allens musikalisches Credo im kurzen Intro – seine Einladung an die von ihm ausgesuchten Akteur*innen Sampa The Great (Sambia/Australien), Nah Eeto (Kenia), MC Lord Jah-Monte Ogbon und Marlow (North Carolina), Tsunami (New York), Zelooperz und Danny Brown (Detroit), Koreatown Oditty (Los Angeles), MC Jeremiah Jae (Chicago), Nate Bone (Maryland), Lava La Rue (London) und Laetitia “Jaeguar” Bourgeois (Paris). Leider bekam Allen selbst die über seine Groove-Vorlagen gelegten, mit Coolness und großem Engagement vorgetragenen, auch inhaltlich spannenden und teils brisanten Vokalparts gar nicht mehr zu hören – sie wurden von seinem Co-Produzenten Vincent Taeger unter Mitarbeit Vincent Taurelles erst nach seinem Tod aufgenommen und abgemischt. Von den 12 Stücken konnte nur eines – nämlich ­„Cosmosis“ – mit dem bekannten nigerianischen Poeten Ben Okri, dem nigerianisch-britischen Rapper und Grime-Spezialisten Skepta und Damon Albarn an Bass und Keyboards von Tony Allen komplett live eingespielt und fertiggestellt werden. Dennoch atmet „There Is No End“ durch und durch den Geist des großen Drummers, der in seinem vielschichtigen Lebenswerk nicht nur Stile, sondern stets auch Generationen miteinander verband. Ein großartiges Vermächtnis – wenngleich es v0n Tony Allen gar nicht als solches geplant war.   

(Decca/Blue Note/Universal)