"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Peter Füssl · 22. Mai 2017 · CD-Tipp

Samantha Crain: You Had Me At Goodbye

Ob die Geschichte, Samantha Crain habe die Aufnahmen zu ihrem fünften Album zwischen die Arbeitsschichten in einer Pizzeria eingeschoben, wo sie gejobbt habe, um die Produktionskosten finanzieren zu können, wahr oder gut erfunden ist, ist nicht so wichtig. Jedenfalls passt sie gut zum Image der unkonventionellen 30-jährigen Autodidaktin aus Shawnee/Oklahoma, deren Experimentierfreude und Nonkonformität erfrischend wirken.

Als Produzent hat sie sich, wie für ihre beiden letzten Alben, wieder den absoluten Profi John Vanderslice geleistet, der zuletzt Acts wie Spoon, The Mountain Goats, Sophie Hunger, St. Vincent, Grandaddy oder Strand of Oaks erfolgreich betreut hat – eine Quatro Stagioni als Honorar wird wohl nicht ganz ausgereicht haben, aber rentiert hat es sich auf alle Fälle. Denn die zehn Songs lassen an Abwechslungsreichtum nichts zu wünschen übrig und klingen trotzdem alle unverkennbar nach Crain: Elektro-Folk, flotter Indie-Pop, Spielereien mit 80er-Jahre Synthie-Sounds, emotionsgeladene und zu interessanten Soundkombinationen verdichtete Streicher- und Bläser-Arrangements, krachende Drums, Elektronik-Voice-Experimente, oder mit großer Intensität gesungene akustik-lastige Balladen – darunter eine in der Stammessprache der Choctaw Indianer, denen die Singer-Songwriterin angehört. Samantha Crain sieht sich inspiriert von „starken, unabhängigen Frauen, die sich in der ungerechten und seltsam repressiven Kunst- und Musik-Geschäftswelt hart arbeitend durchsetzen müssen“ und widmet ihr Album „jeder Frau, die sich durch Intrigen nicht von ihrem Ziel abbringen lässt. Jeder Frau, die vulgär und laut und schlau und hässlich ist, zusätzlich zu den anderen Facetten ihrer Persönlichkeit und im Gegensatz zu dem, was der Mann von ihr erwartet“. Gut gebrüllt, Löwin! Dementsprechend interpretiert sie ihre manchmal auch schwarzhumorigen Geschichten über Selbstverwirklichung und die Wirrnisse des täglichen Lebens stets authentisch und ausdrucksstark: Herzblut geht vor Schönklang, emotionaler Tiefgang vor Hirnakrobatik. Ein sehr spezielles, faszinierendes Album, das sich jeglicher Schubladisierung entzieht!

(Full Time Hobby/Ramseur Records)