Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Peter Füssl · 12. Dez 2019 · CD-Tipp

Nick Cave and the Bad Seeds: Ghosteen

Am 17. Album des australischen Singersongwriters und Poeten Nick Cave mit seiner Langzeitband werden sich möglicherweise die Geister scheiden wie bei keinem zuvor: Zwischen den Extrempolen „genial“ und „langatmig-kitschig“ bleibt wenig Spielraum.

In den auf zwei Alben verteilten 11 Stücken mit knapp 70 Minuten Gesamtlänge versucht Cave einmal mehr den schrecklichen Unfalltod seines 15-jährigen Sohnes Arthur zu verarbeiten, der 2015 in der Nähe Brightons von einer Klippe stürzte, während sein Vater und die Band im Studio gerade mit den Aufnahmen zum Album „Skeleton Tree“ beschäftigt waren. Wie schon das betont kitschige Cover von Tom duBois mit seinem knallbunten Bilderbuch-Paradies verdeutlicht, ist der 62-Jährige hier auf der Suche nach Erlösung und Seelenfrieden, nach Versöhnung und erhabener Schönheit. Aber der Schmerz bohrt sich immer wieder ins Bewusstsein, der unsagbare Verlust und die Trauer werden wohl bleiben. Der sprachgewaltige Cave findet starke Bilder und eindrucksvolle Worte für die zwischen strahlenden Hoffnungsschimmern und banger Hoffnungslosigkeit pendelnden Schilderungen seines Seelenlebens und ist stimmlich bestens disponiert. Musikalisch betrachtet beschränkt sich „Ghosteen“ im Wesentlichen auf die von Warren Ellis kreierten, ätherisch dahinwabernden, manchmal dramatisch aufgeplusterten Synthesizerklangwolken, zu denen sich Piano, Streicherklänge und himmlische Hintergrundchöre gesellen. In dieser stimmungsvollen, aber auf Dauer etwas gleichförmig dahinmäandernden Meditationsmusik kommen die restlichen Bad Seeds kaum zur Geltung. Das alles ist von unglaublicher Schönheit, und Nick Caves sich mitunter auch zu Falsetttönen aufschwingender Bariton verfügt über einen enormen Gänsehautfaktor. Aber vielleicht ist es trotzdem legitim, sich wehmütig an den anarchisch-bissigen Nick Cave in seiner Post-Punk-New Wave-Industrial Blues-Phase zu erinnern, als Saint Nick noch keine Internet-Ratgeber-Site für seine Fans betrieb – wohlwissend, dass diese Zeiten vermutlich unwiederbringlich vorüber sind. (Ghosteen Ltd./Rough Trade)

Konzert-Tipps: Im Rahmen einer großen Tour wird es 2020 auch Konzerte in Wien (1.6.), München (6.6.) und Zürich (8.6.) geben.