Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Füssl · 17. Nov 2021 · CD-Tipp

Mulo Francel: Mountain Melody

Der am bayerischen Chiemsee aufgewachsene Saxophonist Mulo Francel, Bandleader des in Jazz- aber auch Weltmusik-Kreisen renommierten Quartetts Quadro Nueveo, war immer schon ein musikalischer Globetrotter, der sich an den unterschiedlichsten Destinationen von der lokalen Ethno-Musik inspirieren ließ, deren Elemente er dann in seinen eigenen musikalischen Kosmos integrierte. Dabei setzte er nie auf billige Effekte, sondern versuchte immer in die Tiefe zu gehen. Oder nun eben in die Höhe, wie bei seinem neuesten – im wahrsten Sinne des Wortes – schweißtreibenden Projekt „Mountain Melody“, das ihn auf elf über den Globus verteilte Berggipfel führte.

Bei der Auswahl der Berge, die er gemeinsam mit Quadro Nuveo und/oder anderen befreundeten Musiker:innen bestieg, ließ er sich nicht von deren Höhe, sondern zumeist von deren mythologischer Bedeutung leiten. Auf den Gipfeln fertigte man in einzigartigem Ambiente mit einem exquisiten Equipment Basisaufnahmen an, die dann später im Studio überarbeitet und durch weitere Instrumente ergänzt wurden. So wurde der 2.918 Meter hohe Göttersitz Olymp mit Saxophon, indischem Harmonium, Bass-Balalaika, Kupferröhren-Glockenspiel, Hapi Drum und Flöte im Gepäck erklommen, wo das Sax nach einem kurzen Dialog mit Vogelzwitschern das wundervolle Echo auslotete, ehe alle zusammen in eine neunminütige „Collective Happiness“ verfielen. Im Trio lässt man es auf dem „Urahn“ aller Vulkane auf der Liparischen Insel Vulcano brodeln, allerdings nahm Francel dort nur die Sopransax-Stimme auf, der Rest kam im klimatisch ausgeglicheneren Studio dazu. Vom knapp tausend Meter hohen Himmeltindan auf den Lofoten brachte er nur 36 Sekunden Wasserrauschen mit und einen kurzen Stoß ins Vikingerhorn. Ergiebiger war da schon der höchste Berg Ägyptens, der 2.629 Meter hohen Dschabal Katrina (Katharinenberg) auf der Sinai-Halbinsel, den Francel mit Klarinette und Bassklarinette bestieg, gemeinsam mit Evelyn Huber (Santur und Harfe) und Basem Darwisch, Oud-Spieler und Bandleader des Ensembles Cairo Steps, das dann später im Studio gemeinsam mit Quadro Nuevo Ergänzendes beisteuerte. Von einem der Nebengipfel soll Moses die Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten hinuntergetragen haben, das leider „verlorengegangene“ 11. Gebot „Save The Earth“ liefern die Musiker:innen nun in Form eines gleichnamigen dreiteiligen, orientalisch-meditativen Stückes nach. Vom Kerkis auf Samos sahen sie zur hypnotisierenden Klarinetten-Melodie „Ikarus‘ Dream“ zerschmelzen, auf dem gut 4.000 Meter hohen Shir Kuh im Iran durften sie dafür den mit unterschiedlichsten Sounds aufwartenden, wundervoll melancholischen „Dance of Stars“ mitverfolgen. „Mountain Melody“ wurde über mehrere Jahre hinweg mit unterschiedlichen Künstler:innen aufgenommen, was sich in einem sehr informativen Booklet mit wunderschönen Fotos samt Bezug zu den jeweiligen Musikstücken nachlesen lässt. Ein musikalischer Reisebericht der ganz besonderen Sorte. 

(GLM)