Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Peter Füssl · 17. Dez 2018 · CD-Tipp

Matthias Schriefl: Keine angst voR ShreefpunK

73 Minuten und 43 Sekunden musikalischen Wahnsinns der allerfeinsten Sorte liefern der aus Kempten stammende und in Köln lebende Trompeter Matthias Schriefl und seine aus Gitarrist Johannes Behr, Bassist Robert Landfermann und Drummer Jens Düppe bestehende Langzeit-Band mit den zwölf Titeln des neuen Albums „Keine angst voR ShreefpunK“. Mühelos bewältigt das bestens aufeinander eingespielte Quartett aus Querdenkern und -tönern diese rhythmische und harmonische Achterbahnfahrt, ignoriert schlicht jegliche stilistische Schubladisierung und findet für dieses waghalsige Unterfangen im unkonventionellen Frauenstreich- und Jodel-Trio Netnakisum und in vier StreicherInnen der Münchner Philharmoniker auch noch die perfekte, wendige und einfallsreiche Verstärkung.

Mit Verweisen auf Frank Zappa soll man sparsam umgehen, aber mit wem sollte man das hier Gebotene, den anarchischen Witz und die mitunter so einfach erscheinende Komplexität denn sonst vergleichen? Permanente Tempo- und Rhythmenwechsel, unorthodoxe Modulationen, stilistische Bocksprünge jeglicher Art prasseln permanent auf einen ein und gehen so leicht ins Ohr, weil das nie konstruiert, sondern stets so wirkt, als hätte man das gar nicht anders komponieren können. Der „Steuererklärung“ widmet Schriefl ein fünfminütiges Sperrfeuer an unkonventionellen Ideen, dem sich auch der grantigste Zahlenfuchser nicht widersetzen kann, in „Südtiroler Rundungen“ lässt er gemütliche Stubenmusi auf Rockgitarre, Blues und Punk treffen, und in „Luxemburg“ entwickelt sich minimalistisches Gefrickel über ein mitreißendes Trompetensolo zu einer brisanten, vom finnischen Wahlberliner Kalle Kalima gezündete Metal-Passage, die wiederum in einen lieblich gesungenen Motivationstext mit 50-er-Jahre-Appeal umschlägt. Kein Wunder, dass das Gros der Stücke fünf bis zehn Minuten lang ist. Zur Spitze getrieben wird das Konzept bei „Hamburg“, sowie dem Titelstück, die beide im Münchner Jazzclub „Unterfahrt“ – wiederum mit Kalima und mit „Hyperactive Kid“ Christian Lillinger an den Drums – live eingespielt wurden. Aus lokalpatriotischer Sicht erfreulicherweise hat es auch die – fast schon traditionelle und somit leicht aus dem Rahmen fallende – „Andelsbucher Polka“ auf das Album geschafft, die Schrifls Affinität zum Alpenländischen klar verdeutlicht. „Jazz is not dead, it just smells funny“, ätzte einstmals Zappa – Jazz roch nie lebendiger, würde ich behaupten! 

(resonando)