Larry Coryell & Philip Catherine: Jazz at Berlin Philharmonic XI: The Last Call
Jazz at Berlin Philharmonic XI: The Last Call Das 1980 aufgenommene und ein Jahr später erschienene Album „Friday Night In San Francisco” von Paco de Lucía, John McLaughlin und Al Di Meola mag zwar das bekannteste und finanziell erfolgreichste Live-Akustikgitarren-Album aller Zeiten sein, manche Jazz-Fans erinnern sich aber an eine Europa-Tournee 1979/80, wo noch Larry Coryell anstelle Di Meolas spielte. Gitarristische Feinspitze, die nicht ausschließlich im Schnelle-Finger-Superlativ dachten, wussten aber ohnehin auch die schon ein paar Jahre früher – nämlich 1977 und 1978 – veröffentlichten Duo-Alben „Twin-House“ und „Splendid“ des Texaners Coryell und des in London geborenen Belgiers Philip Catherine zu schätzen. Ersterer zählte zu den Jazz-Rock-Pionieren, während Letzerer von Django Reinhardt beeinflusst war, was eine spannende, atmosphärisch höchst ansprechende Melange ergab.
Produzent der beiden Kleinode war damals Siggi Loch, der 2017 – nunmehr als ACT-Chef – zum 40 Jahre-Jubiläum ein Revival des Duos im Rahmen der Reihe „Jazz at Berlin Philharmonic“ organisierte. Übrigens genau an jenem Ort, an dem das virtuose Duo 1976 bei den Berliner Jazztagen als begeistert aufgenommene „Pausenfüller“ im Konzert von Coryells Formation 11th House seine Bühnenpremiere feierte. Das aktuelle Album „The Last Call“ wird mit den beiden ersten Titeln von „Twin-House“ eröffnet, Coryells „Miss Julie“ und Catherines „Homecoming“, die sicher zu den besten Eigenkompositionen der beiden zählen. Wie in guten alten Zeiten kommt ihre Seelenverwandtschaft in den eng ineinander verzahnten Melodielinien und der einfallsreichen Rhythmusarbeit zu tragen – Coryell spielt auf seiner eigenen von Martin Guitars gefertigten Larry Coryell Prototype Akustischen, Catherine auf seiner geliebten elektrischen Gibson ES-175. Wie gut sie sich auch auf Bossa Nova und wunderschöne Melodien verstehen, demonstrieren sie mit einer stimmungsvollen Interpretation des von Bonfá/Maria komponierten Filmmusik-Klassikers und längst zum Jazzstandard gewordenen „Manhã de Carnaval“, während Larry Coryells „Jemin-Eye’n“ mitreißend zwischen Swing und Fusion pendelt. Neue Klangfarben ergeben sich durch weitere Duo-Begegnungen mit zwei renommierten Schweden: Catherine lässt gemeinsam mit dem Pianisten Jan Lundgren den Standard „Embraceable You“ der Gershwin-Brüder lässig grooven, während Coryell im Duo mit dem Kontrabassisten Lars Danielsson Milt Jacksons „Bags‘ Groove“ einfallsreich und mit Zitaten gespickt inszeniert. Im beinahe zehnminütigen Finale jammt das Quartett verstärkt durch den sardischen Trompeter Paolo Fresu höchst enthusiastisch über Oscar Petersons „Green Dolphin Street“. Ein würdiger Abschluss eines glanzvollen Abends und zugleich auch der traurige Abschied von Larry Coryell, der nur dreieinhalb Wochen später im Alter von 73 Jahren nach einem Konzert in New York in seinem Hotelzimmer an plötzlichem Herzversagen verstarb.
(ACT)