Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Peter Füssl · 29. Apr 2018 · CD-Tipp

Kristjan Randalu: Absence

Eine Karriere als Klassik-Pianist war dem 1978 in Tallin geborenen Kristjan Randalu sozusagen schon in die Wiege gelegt, widmeten sich doch beide Elternteile dieser Profession. Mit 13 erlebte Randalu aber beim Hören von Chick Coreas „Inside Out“ sein jazzmäßiges Erweckungserlebnis, das entsprechende Know-how holte er sich später als Student bei John Taylor und Django Bates und als Stipendiat der Manhattan School of Music, wo er die New Yorker Impro-Szene inhalieren konnte.

Aus diesem Spannungsfeld – zuzüglich der Einflüsse zeitgenössischer estnischer Komponisten wie Erkki-Sven Tüür oder Tõnu Kõrvits – nähren sich nun auch die neun Eigenkompositionen seines ECM-Debütalbums, für das er im New Yorker Gitarristen Ben Monder und im finnischen Schlagzeuger Markku Ounaskari ideale Partner gefunden hat. Zuerst, weil unüberhörbar und leicht einzuordnen, fällt Kristjan Randalus stupende Technik auf, eine fingerfertige Perfektion, die zwischen zart hingetupften Single-Notes und schweren, unheilvoll dräuenden Clusters alles ermöglicht. Das ist auch die Voraussetzung, um seine klar strukturierten und dennoch viel Raum für Improvisationen offenlassenden Kompositionen umsetzen zu können, denn auch hier greift Randalu in die Vollen: Ein virtuoses Spiel mit Tempi und Dynamik, mit Stimmungen und Klangfarben, mit sanften Verläufen und überraschenden Entwicklungen, klar und raffiniert zugleich. Lyrisch-impressionistische Verspieltheit, jazzige Improvisationen bis hin zu spannungsgeladenen Postrock-Sounderuptionen, die auf einem späteren Sigur Rós-Album wie „Kveikur“ auch nicht auffallen würden. Ben Monder, der in 30 Jahren New York schon in den unterschiedlichsten musikalischen Biotopen bis hin zu David Bowies Abschiedsalbum „Blackstar“ Erfahrungen gesammelt hat, kann diese auf „Absence“ voll ausspielen. Mit welchem Einfallsreichtum sich Randalu und Monder wechselseitig umgarnen, kontrastieren und ergänzen, ist schlichtweg grandios. Der einfühlsame Markku Ounaskari, den man hierzulande vor allem als Drummer der Kantelene-Virtuosin Sinikka Langeland kennt, weiß, dass er hier nur mit virtuoser Schlichtheit punkten kann, wohlgesetzte Reduktion, die sich organisch einfügt und das musikalische Geschehen dezent aber bestimmt kommentiert und vorantreibt. Ein geniales neues Trio, auf dessen Entwicklung man schon gespannt sein darf, denn da ist ein unglaubliches Potential vorhanden. (ECM/www.lotursrecords.at)

Konzert-Tipp: Das Trio ist am 10.5. im „Unterfahrt“ in München zu hören.