Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Peter Füssl · 25. Apr 2018 · CD-Tipp

Goat Girl: Goat Girl

Hinter den reichlich schrägen Kampfnamen Clottie Cream (Gesang), L.E.D. (Gitarre), Naima Jelly (Bass) und Rosy Bones (Drums, Piano) stecken vier gerade mal 20-jährige Südlondonerinnen, die sich mit ihrem beim renommierten Indie-Label Rough Trade erschienenen Debütalbum gerade zu neuen Lieblingen des Feuilletons mausern.

Mit 19 Tracks in 40 Minuten, kaum einer länger als drei Minuten, zaubern sie ein buntes musikalisches Puzzle aus Songs und Skizzen, die zwischen Gothic-Rock, verzerrten Twang-Gitarren, zart gezupftem Folk, Postpunk, Rockabilly, Spoken-Word-Schnipseln, Noise-Fragmenten und Tingeltangel-Anklängen mäandern. Das Quartett, das keineswegs als Girl-Band abgestempelt werden möchte, geißelt mit bitterbösen, sarkastischen Texten verlogene Brexit-Befürworter, Gentrifizierung, aufdringliche Machos und saturierte Langeweiler. Zorn und Frustration sind wichtige Impulsgeber, Clottie Cream schreit aber ihr Unbehagen nicht hinaus, gibt nicht die hysterisch kreischende Protestsängerin, sondern wiegt die Hörerinnen und Hörer mit ihrem etwas an Lana Del Rey erinnernden, schönen, dunklen, oft verhallten Alt, der die Silben gerne ein bisschen zerdehnt, in einer trügerischen Wohligkeit. Überschäumender Einfallsreichtum, farbenreich musizierte schräge Phantasien, eine immer irgendwie gespenstisch wirkende Coolness, die sparsam eingesetzt und umso wirkungsvoller in brodelndes Unbehagen umkippen kann, und ein scharfer Blick auf gesellschaftliche Missstände und korrupte Politiker – mit Goat Girl hat die eben gerade besonders angesagte Indie-Szene um den Brixtoner Windmill Club ein ganz besonders erfrischendes und zukunftsträchtiges Projekt ausgespuckt. Ach ja, und völlig humorfrei sind die Damen auch nicht, wie man angesichts ihrer witzigen Anspielung auf den Filmklassiker „A Hard Day’s Night“ der Beatles in ihrem Videoclip zu „The Man“ vermuten darf – im Gegensatz zu den legendären Pilzköpfen müssen die Goat Girls aber vor einer völlig hysterischen, ausschließlich männlichen Fan-Gemeinde flüchten.

(Rough Trade/Beggars)