Jonathan Wilson: Fanfare
Während sich die Finger von Gott und den Menschen in Michelangelos berühmtem Deckenfresko „Die Erschaffung Adams“ noch fast berühren, sind sie auf dem Cover von Jonathan Wilsons zweiter CD „Fanfare“ extrem weit auseinander. Eine unmissverständliche Botschaft, aber was dieses beinahe 80-minütige Album so unwiderstehlich macht, sind nicht textliche Hirnakrobatik und Gedankenschwere, sondern hemmungslos ausufernde Musizierlust.
Zwar residiert der 39-jährige Singersong-Writer, Multiinstrumentalist und Musikproduzent mittlerweile im Echo Park in L.A. und nicht mehr im mythenumwobenen 70er Jahre Folk-Rock-Epizentrum Laurel Canyon, dennoch ist dieses wunderbare Nostalgie-Album durchwegs dort angesiedelt. Sanftes Pianoklimpern und psychedelische Ausschweifungen, fette Rockgitarren und zartes Fingerpicking, bombastische Walls of Sound und mehrstimmige Chöre – Crosby, Stills & Nash, die Byrds, aber auch Pink Floyd, John Lennon oder Frank Zappa lassen grüßen. Schlicht alles, was die Hippie-Herzen damals höher schlagen ließ und heute ein Revival erlebt. Singersongwriting, Westcoast Rock, Psychedelic- und Prog-Rock, Folk und leichtverdauliche Jazzelemente – wenn auch ein Stück dem Free Jazz-Pionier Cecil Taylor gewidmet ist – gehen in atmosphärisch dichten Arrangements nahtlos ineinander über und erzeugen jene magische und gleichermaßen lässige Grundstimmung, die man im zeitgenössischen Musikbusiness lange verloren glaubte. Dass Crosby, Nash, Jackson Browne und Mike Campell und Benmont Tench von Tom Pettys Heartbreakers tatsächlich noch kleine Stimmungsaufheller beisteuern, macht das freudvolle Retro-Erlebnis nur noch abgerundeter.
(Bella Union Records)