Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Peter Füssl · 27. Jul 2009 · CD-Tipp

Jon Balke: Siwan

Der norwegische Pianist Jon Balke ist vor allem als höchst sensibler und einfallsreicher Komponist und Arrangeur für größere Ensembles wie sein Magnetic North Orchestra bekannt geworden. In seinem neuesten Projekt befasst er sich mit Musik und Dichtung von al-Ándalus, wo unter maurischer Herrschaft islamische, christliche und jüdische Menschen auf einem hohen zivilisatorischen Standard harmonisch zusammenlebten, während rundum das finstere Mittelalter mit seiner Inquisition wütete.

Balke vermutet auch einen Zusammenhang mit der frühbarocken Musik, die sich zu jener Zeit in Neapel entwickelte. Eine wesentliche Quelle der Inspiration war für den Norweger auch die marokkanische Sängerin Amina Alaoui, die ihn mit der Dichtkunst von al-Ándalus vertraut machte. All diese Gedankengänge führt Balke nun im Rahmen eines Auftragswerkes für das Osloer Kulturinstitut Cosmopolite auf einer musikalischen Ebene weiter. Um westlichen Jazz und orientalische Musik, Sufi-Mystik, sephardische und christliche Lyrik zusammenzuführen, bedient sich Jon Balke eines genialen Kunstgriffs: er lässt ein westliches Trio (bestehend aus Balke, seinem Landsmann, dem Perkussionisten Helge Norbakken, und dem amerikanischen Trompeter Jon Hassell) auf ein arabisches Trio (mit Aaina Alaoui, dem algerischen Geiger Kheir Eddine M’Kachiche und dem persischen Zarb-Virtuosen Pedram Khavsr Zamini) treffen. Verbindendes Element ist das mit renommierten Spezialisten besetzte, zwölfköpfige Ensemble Barocksolistene, und es unterstreicht einmal mehr Jon Balkes Genialität, mit welch großartigem Gespür und Einfallsreichtum er diese drei Klangkörper zu einer wunderbaren musikalischen Symbiose zusammenführt. „Siwan“ heißt in Aljamiado, der in al-Ándalus gesprochenen lateinisch-arabischen Schriftsprache, soviel wie „Balance“ – und die wird hier eindrucksvoll erreicht. „Siwan“ setzt also einerseits Impulse, sich mit einer höchst interessanten, von Toleranz geprägten, aber leider ziemlich in Vergessenheit geratenen Zivilisationsform einmal näher auseinanderzusetzen und bietet andrerseits ein Hörerlebnis von ausgesprochener Schönheit.
(ECM 2042 1780151 / Vertrieb: Lotus)