Joanna Newsom: Divers
Seit ihrem Debüt „The Milk-Eyed Mender“ (2004) und noch verstärkt durch die außergewöhnlich ambitionierten Alben „Ys“ (2006) und „Have One on Me“ (2010) genießt Joanna Newsom den Ruf eines verqueren Genies, das losgelöst von den üblichen Bezugspunkten der Musikindustrie an seinen überirdischen Songs tüftelt und diese – zuletzt etwa auf einem konzeptartigen Triple-Album – zu einem gleichermaßen phantastischen wie unentwirrbaren textlich-musikalischen Panoptikum zusammenführt.
Das trifft auch auf das vierte Album „Divers“ zu, das die 33-jährige Kalifornierin in fünf Jahren harter Arbeit zu einem Meisterwerk machte. Dazu spielte die Harfenistin mit der manchmal immer noch ziemlich gewöhnungsbedürftigen Stimme rund ein Dutzend Instrumente selber, engagierte aber auch fünfzehn Musiker (wenn es sein musste für 5-Sekunden-Auftritte – „five glorious seconds“ nennt sie das im Begleitheft) und die Prager Philharmoniker. Die unglaublich vielschichtigen, aber stets präzisen und niemals ausufernden Klangbilder, die sich jeglicher stilistischer Schubladisierung entziehen, passen perfekt zu den transzendenten Themen Zeit, Liebe und Tod, mit denen sich Newsom in enigmatischen Textkunstwerken voller Verweise und Anspielungen beschäftigt. Deren Dechiffrierung kann ebenso viel Vergnügen bereiten wie das Entdecken musikalischer Raffinessen in ihren elaborierten Arrangements, die sich einem in jedem neuen Hördurchgang eröffnen. „Divers“ lädt zu einer mystischen Entdeckungsreise ein, bei der man schon den Weg als Ziel betrachten sollte – zumal man „ein Ziel“ in diesem faszinierend komplexen musikalischen Universum ja ohnehin gar nicht erreichen möchte.
(Drag City/Rough Trade)