Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Peter Füssl · 24. Apr 2017 · CD-Tipp

Jarvis Cocker – Chilly Gonzales: Room 29

Jarvis Cocker, der als Sänger und wichtigster Songschreiber von Pulp Brit-Pop-Geschichte geschrieben hat, und der in Berlin lebende kanadische Pianist Chilly Gonzales – ein unkonventioneller Grenzgänger zwischen Klassik, Jazz, Lounge und Hip-Hop – haben auf dem renommierten Klassiklabel Deutsche Grammophon ein ganz spezielles Konzeptalbum vorgelegt. In einem 16 Songs umfassenden Liedzyklus über den mit einem Stutzflügel ausgestatteten „Room 29“ des legendären Château Marmont Hotel am Sunset Boulevard spüren sie dem Hotel als Quelle von Wünschen und Fantasien, Ort der Sehnsucht, Zuflucht, aber auch der Ernüchterung und des einsamen Todes nach.

Dabei interessieren Cocker weniger jüngere Eskapaden wie jene, dass hier Led Zeppelin-Drummer John Bonham auf dem Motorrad durch die Hotellobby donnerte, Billy Idol nackt ein Zimmer zertrümmerte oder Jim Morrison aus dem Fenster fiel, vielmehr  legt er den Fokus auf Geschichten aus den 1930-er Jahren, als hier Jean Harlow ihre verpatzten Flitterwochen verbrachte, Mark Twains Tochter Clara ihr wenig freudvolles Dasein fristete oder Chefmafioso Meyer Mickey Cohen ebenso ein- und ausging wie die Protagonisten jener legendären Hollywood-Filme, die damals die Welt eroberten und nicht nur dem American Dream neue Nahrung verschafften. Dabei ging das extravagante Duo interessanterweise nicht, wie es in solchen Fällen zumeist üblich ist, von den Texten aus, sondern Cocker schrieb Passendes zu den klassisch-romantischen, manchmal auch etwas schwülstig daherkommenden Fingerübungen des Pianisten, der sich fallweise von den Streichern des Kaiser Quartetts und einmal vom Macedonian Symphonic Orchestra in seinen Bemühungen um Zeitkolorit und Atmosphäre unterstützen lässt. Jarvis Cocker erzählt zumeist in etwas gleichförmigem Sprechgesang unaufgeregt, aber nicht emotionslos und manchmal auch wohltuend selbstironisch seine an Originalvorlagen entzündeten Fantasiegeschichten über große Tragödien, sexuelle Eskapaden und die goldenen Hollywood-Zeiten, zu denen er auch den Filmhistoriker David Thomsen zu Wort kommen lässt. Das mag zwar die Fans der beiden nicht unbedingt zufrieden stellen, aber es hat Stil, ein intellektueller Spaß, der das Oeuvre der beiden Dandys auf unerwartete Weise bedeutend erweitert.

(Deutsche Grammophon)