„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Peter Füssl · 09. Okt 2019 · CD-Tipp

James Carter Organ Trio: Live From Newport Jazz

James Carter feiert mit seinem Blue Note-Debüt sozusagen seinen 50-er, aber wenn man den auf allen Saxophonen exzellenten, ehemals fälschlicherweise den musikalisch biederen „Young Lions“ um Wynton Marsalis zugezählten Detroiter auf diesen Live-Aufnahmen vom letztjährigen Newport Jazz Festival hört, sind keinerlei Ermüdungserscheinungen wahrzunehmen. Ganz im Gegenteil!

Carter lässt seine Muskeln spielen wie eh und je, seine kraftvoll-expressiven Soli explodieren förmlich in Richtung Ekstase, er überbläst, macht Intervallsprünge und unternimmt Parforceritte, die nur mittels extensiver Zirkularatmung zu bewältigen sind – die er ja meisterhaft beherrscht. Als Ausgangsmaterial dienen ihm fünf Kompositionen des legendären Gypsy-Swing-Gitarristen Django Reinhardt und das in dieselbe Kerbe schlagende „La Valse Des Niglos“ von Auguste „Gusti“ Malha. Carter hat sich ja schon vor bald zwanzig Jahren auf dem Album „Chasin‘ the Gypsy“ ausführlich mit dem belgischen Manouche-Jazzer auseinandergesetzt, dessen Stücke sich unorthodox aufbereitet hörbar bestens für die vom Saxophonisten angestrebte Kombination aus Jazztradition und avantgardistischen Spielweisen eignen. Diese Live-Aufnahmen sind aber nicht nur für alle Freunde exzessiver Saxophoneruptionen von Interesse, sondern mindestens im gleichen Maße auch für alle Hammond B3-Fans, denn was Carters Langezeit-Weggefährte Gerard Gibbs da auf seiner Orgel ablässt, braucht Vergleiche mit Soul-Jazz-Titanen wie Jimmy Smith, „Brother“ Jack McDuff, Dr. Lonnie Smith oder Richard „Groove“ Holmes in keinster Weise zu scheuen. Seine heftig groovenden, funk- und R’n’B-infizierten Tasten-Feuerwerke stehen jenen Carters in Sachen Intensität keineswegs nach, und das mag etwas heißen. Dritter im Bunde ist der junge Drummer Alex White, der das Ganze mit seinem kraftvollen Spiel mühelos vorantreibt und zusammenhält. Übrigens stammen alle drei Musiker wie auch Blue-Note-Boss Don Was, der das Album produziert hat, aus Detroit – die wirtschaftlich ordentlich durchgebeutelte „Motor City“ scheint ein guter Boden für wilde musikalische Orgien zu sein. (Blue Note/Universal)

Konzert-Tipp: Leider gastiert das James Carter Organ Trio nirgendwo in unserer Nähe, am 17.10. sind sie im Wiener Porgy & Bess zu hören.