Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Peter Füssl · 17. Apr 2018 · CD-Tipp

Jack White: Boarding House Reach

An Jack Whites drittem Solo-Album werden sich die Geister scheiden: Jene, die den sich den gängigen Popbusiness-Mechanismen entziehenden Rumpel-Blues-Retro-Rocker schätzen, den Jack White, der mit The White Stripes, The Raconteurs oder The Dead Weather auf höchst unterhaltsame Art die Zeit stehen ließ, werden sich entsetzt abwenden. Jene, die den nie um verrückte Ideen verlegenen, sich nicht um Stil- und Geschmacksfragen – wo hört Pathos auf und wo fängt Kitsch an? – scherenden, zwischen Schludrigkeit und ungehemmter Experimentierfreude schwankenden Musiker lieben, kommen hingegen voll auf ihre Kosten.

Denn die dreizehn Titel auf „Boarding House Reach“ sind ein gigantisches Sammelsurium aus spleenigen Ideen, Versatzstücken aus den letzten fünfzig Jahren Populärmusik, schrägen Kombinationen und waghalsigen Überraschungsmanövern. Da treffen 80er-Jahre Synthies auf pumpende Orgeln und krachende Hard-Rock-Gitarren, Bongo-Trommeln auf Country-Music und Soul-Funk auf Hip-Hop. Diese wilde Mischung dürfte eher den Frank Zappa-Fans gefallen, als den Led Zeppelin- und Southern Bluesrock-Veteranen, die sich für den alten Jack White erwärmen konnten, der auch mal mit Jimmy Page oder Keith Richards jammte. White ist auch bei der Produktion neue Wege gegangen. Nachdem er sich vier Jahre seiner Familie und seinen Kindern gewidmet hatte, zog er sich in eine unspektakuläre kleine Pension zurück, wo er in völliger Abgeschiedenheit, mit jener Bandmaschine, die er schon als Vierzehnjähriger für seine ersten musikalischen Gehversuche benutzt hatte, mehrere Wochen lang neues Material aufnahm. Mit diesem zog er dann – ganz entgegen seiner gewohnten Vorliebe für kleinere Studios – in große Techniktempel in Los Angeles und New York, wo er die Songs vorwiegend mit Musikern, mit denen er bislang noch nicht zusammengearbeitet hatte, realisierte und anschließend wieder im Computer bearbeitete. Diese Sessionmusiker stammen wie etwa die Drummer Louis Cato und Daru Jones, Bassist NeonPhoenix oder Keyboarder Neal Evans aus dem Umfeld von Beyoncé, John Legend, Q-Tip, Jay-Z, Kanye West, Nas oder Talib Kweli. Vielleicht hat das Jack White bewogen, sich ­­– mit eher zweifelhaftem Erfolg – auf einem Stück auch als Rapper auszutoben. Die letzten beiden Nummern auf „Boarding House Reach“ sind „What’s Done Is Done“, ein Country-Duett mit Esther Rose, und das zu gezupfter Akustikgitarre und Pianogeklimper intonierte Schlaflied „Humoresque“ – zwei durchaus traditionelle Songs. Offenbar will Jack White seine Fans nach all der Durchgeknalltheit wieder ein bisschen herunterholen, ehe durch das Drücken auf die Repeat-Taste der bizarre Wahnsinn von Vorne beginnt.     

 (Third Man/XL/Beggars)