Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Füssl · 15. Feb 2021 · CD-Tipp

Diego Pinera: Odd Wisdom

„Die krumme Metrik verleiht meiner Musik Leichtigkeit“ – um solch eine Aussage glaubwürdig tätigen zu können, muss man schon ein Rhythmiker vom Format Diego Pineras sein, der sich mit neun neuen Stücken auf seinem zweiten ACT-Album auch als einfallsreicher Komponist erweist. Latin-Rhythmen hat er quasi schon mit der Muttermilch in seiner Heimatstadt Montevideo aufgesogen, später an der Musik- und Kunsthochschule in Havanna verfeinert und schließlich am Berklee College of Music in Boston und an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig mit den Raffinessen des zeitgenössischen Jazz-Drumming kombiniert.

Seit 2003 lebt Pinera in Berlin, wo er im intensiven Zusammenspiel mit griechischen und bulgarischen Musikern ebenfalls viel Gelegenheit zum Erforschen schwindelerregender Taktformen hat. Wie schon bei seinem 2017-er Album „My Picture“, für das er mit einem „Echo Jazz“-Preis ausgezeichnet wurde, setzt Pinera aber auch auf „Odd Wisdom“ wieder auf US-amerikanische Könner allererster Güte, die noch dazu den Vorteil haben, schon seit Jahrzehnten in unterschiedlichen Formationen miteinander gespielt zu haben. So lassen der wandlungsfähige Saxophonist Donny McCaslin, der vielbeschäftigte Bassist Scott Colley und der zurückhaltend, aber wirkungsvoll agierende Gitarrist Ben Monder Diego Pineras mit ungeraden Metren und polyrhythmischen Verschiebungen gespickten Kompositionen tatsächlich im positiven Sinne „leicht“ erscheinen. „Leichtigkeit“ ist ja ein Lieblingswort des Schlagzeugers, der auf „Odd Wisdom“ sein vielschichtiges Können nicht nur rhythmisch, sondern – mitunter mit dezenter Elektronik aufgepeppt – auch vom Farbenreichtum her eindrucksvoll unter Beweis zu stellen vermag. Ganz zum Schluss bietet dann eine siebenminütige Version von „Blue Monk“, einzige Fremdkomposition des Albums und gelungene Verbeugung vor einem der ganz großen Meister, allen Beteiligten nochmals die Gelegenheit für durchaus hörenswerte Soli. Wie das ganze Album ein komplexes Vergnügen – genussvoll serviert.     

(ACT)