Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Füssl · 21. Jun 2010 · CD-Tipp

Chris Gall Trio feat. Enik: Hello Stranger

Radiohead und Lou Reed, die Beatles und The Bad Plus oder e.s.t., immer wieder mal öffnet sich einem beim Zuhören ein Bezugsfenster zur Pop- und Jazz-Geschichte, aber letztlich ist da ein junges, deutsches Quartett auf dem besten Weg, seine eigenständige Definition von Pop-Jazz oder Jazz-Pop zu (er)finden.

Die beiden Hauptakteure könnten von der musikalischen Sozialisation her unterschiedlicher nicht sein, der gemeinsame Nenner, den sie gefunden haben, ist wohl die Lust am Experiment, am Unkonventionellen, am die Genregrenzen Sprengenden. Der 35-jährige, aus dem oberbayrischen Bad Aibling stammende Pianist Chris Gall hat das Berklee College of Music in Boston abgeschlossen und mit den New York Voices ebenso gespielt wie mit Dusko Goykovic oder Don Menza. Das schräge Multitalent Enik (mit bürgerlichem Namen Dominik Schäfer), 1980 in Dachau geboren, ist eine Hälfte des Elektro-Pop-Duos Funkstörung, legte einige Indie-Pop-Scheiben unter eigenem Namen vor, schrieb Songs für Die Fantastischen Vier und verblüffte mit skurrilen Kurzfilmen wie „Enik kills himself“. Ergänzt wird das Quartett durch ein perfektes Rhythmus-Gespann, Galls Bruder Peter an den Drums und den Bassisten Axel Kühn. Viele Stücke sind durch druckvoll voranpreschende Rhythmen und effektvolle Piano-Hooks geprägt, aber auch düster Melancholisches und Surreales findet seinen Platz. Chris Gall versucht beim Pianospielen wie ein Gitarrist zu denken, um auf neue Soundideen zu kommen, und Enik versucht erst gar nicht, jazzig zu klingen, sondern geht gesanglich ganz eigene Wege. „Hello Stranger“ könnte für den deutschen Jazz eine ordentliche Verjüngungskur bedeuten, denn zu einem Song wie „Tap The Beat On The Glass“ wippen 18- und 80-jährige gleichermaßen mit den Füßen – aber Achtung: Stolpergefahr!

(ACT/Vertrieb: Edel/Rottensteiner)