Ethan Coen hat seinen ersten Spielfilm als Soloregisseur gedreht: „Drive-Away Dolls“. (Foto: Focus Features)
Peter Füssl · 25. Mär 2020 · CD-Tipp

Charles Lloyd: 8 – Kindred Spirits Live From The Lobero

Es ist der Blick eines alten Mannes auf ein unfassbar erfülltes Leben, dahinter errät man aber auch, vielleicht in einem Blinzeln, den neugierigen Blick des ewig Jungen, der nach Vollendung strebt und stets auf der Suche sein wird – nach dem ganz besonderen Ton, der unvergleichlichen Stimmung, der einzigartigen Kommunikation mit den Mitmusikern und dem Publikum. Und das Outfit auf dem Coverfoto verrät uns auf Anhieb, dass wir es hier mit einem Mystiker zu tun haben – genauer gesagt: einem Jazzmystiker im Jubiläumsmodus. Seinen 80. Geburtstag hat der Saxophonist Charles Lloyd am 15. März 2018 mit einem Konzert im von ihm schon oft bespielten Lobero Theatre seiner Heimatstadt Santa Barbara gefeiert – mit Drummer Eric Harland und Bassist Reuben Rogers, seinem Lieblings-Rhythmus-Gespann, mit Pianist Gerald Clayton und Gitarrist Julian Lage, die er schon als Jungmusiker unter seine Fittiche nahm und zu aufstrebenden Stars machte, und mit zwei ganz besonderen Gästen: der wie Lloyd aus Memphis stammenden Soul-Pop-Legende Booker T. Jones und Blue Note-Boss Don Was, der zu diesem ganz speziellen Anlass für zwei Stücke wieder einmal zum Bass griff.

Der nur in der Limited Special Edition zur Gänze vorliegende, gut zwei Stunden lange Live-Mitschnitt ist nicht nur eine Art musikalische Dokumentation dieses unkonventionellen Ausnahmemusikers, sondern bietet auch ein unglaubliches Hörvergnügen, denn Lloyd lässt sich und seinen Gästen, allen voran Lage und Clayton, jede Menge Zeit und Raum, sich zu entfalten, sich wechselseitig zu inspirieren und mit wundervollen Soli und Dialogen ihre exzellenten Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Lloyd selber entlockt seinem Saxophon ein unglaublich breites Spektrum an Sounds und Stimmungen, grübelt über Meditatives, schwelgt im Hymnischen und lässt sein Instrument in der Ekstase aufschreien, was an Intensität kaum mehr zu überbieten ist. Er ist ein grandioser Techniker, aber die Emotion steht stets im Vordergrund - auch wenn er zur Flöte greift. Das Repertoire macht klar, dass wir es hier mit einem Stück wandelnder Jazz-Geschichte zu tun haben, dessen Wurzeln aber vor allem auch im Blues liegen. Den Auftakt macht eine 21-minütige Version von „Dream Weaver“, dem Titelstück seines unglaublich populären 1966-er Albums mit dem damaligen Dreamteam Keith Jarrett, Cecil McBee und Jack DeJohnette. Nach diesem Riesenerfolg hat sich Lloyd für mehr als ein Jahrzehnt völlig aus dem Musikbusiness zurückgezogen und mit Transzendentaler Meditation beschäftigt, ehe ihn der französische Pianist Michel Petrucciani in den 1980ern zur Rückkehr auf die Jazzbühne bewegen konnte. „Requiem“ stammt aus „Notes From Big Sur“, dem zweiten von insgesamt 14 gloriosen Alben, die Lloyd in mehr als 20 Jahren für das Münchner ECM-Label aufgenommen hat. Und „Part 5: Ruminations“ ist 2016 nach dem Wechsel zu Blue Note entstanden und markiert somit die jüngste Schaffensphase des unermüdlichen Charles Lloyd. Neben sieben Eigenkompositionen sind auch Lloyds einfallsreiche Arrangements des mexikanischen Folkloreliedes „La Llorona“, der Kirchenhymne „Abide With Me“ oder des populären Folk-Songs „Shenandoah“ zu hören. Nicht genug des breiten stilistischen Spektrums, geht es dann bei der achtminütigen Version des 1962-er Booker T. Jones Soul-Rock-Millionensellers „Green Onions“ erst so richtig heiß her, ehe mit der von Billy Preston/Bruce Fisher komponierten und von Joe Cocker 1974 zum Welthit gemachten traumhaft dahinschmelzenden  Ballade „You Are So Beautiful“ das Publikum glücklich nach Hause geschickt wurde – und wir, dankbar für die Möglichkeit, das alles auf Tonkonserve genießen zu können, rasch auf die Repeat-Taste drücken.    

(Blue Note/Universal)