"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Peter Füssl · 18. Jun 2018 · CD-Tipp

Ceramic Dog: YRU Still Here?

“I got a right to speak like an idiot/I got a right to bitch and moan/I got a right to be unhappy/I got a right to say ‘fuck you!’/I got a right to ignore everything you say, my feelings are political“ – das dritte Album von Ceramic Dog, dem Punk-Avantgarde-Jazz-Noise-Rock-Trio von Gitarrist Marc Ribot, Drummer Ches Smith und Bassist/Perkussionist Shahzad Ismaily startet mit einer wütend gebrüllten Attacke gegen die herrschenden Verhältnisse in den Vereinigten Staaten – ein roter Faden, der sich in unterschiedlicher Intensität und stilistischer Ausrichtung durch die elf Titel zieht. Der Song heißt „Personal Nancy“ und spielt auf die Sid Vicious-Lebensgefährtin Nancy Spungen an, eine der tragischen Ikonen der Punk-Bewegung.

Wer mit der Frage, weshalb er denn immer noch hier sei, gemeint ist, ist unschwer zu erraten, denn Trump wird mehrfach zur Zielscheibe unverblümten Spottes. Dass „Fuck La Migra“ der Einwanderungsbehörde gewidmet ist, verraten die Musiker schon im Booklet-Text, wo sie zum gewaltlosen, aber organisierten Widerstand gegen Trump und die von ihm instrumentalisierten, rassistisch, intolerant und tyrannisch operierenden Organisationen aufrufen. Aber dem furiosen Trio dienen auch weniger schmerzhafte und aggressive Musikstile als Transportmittel für seine Botschaften – etwa der 70-er-Jahre-Querflöten-Afro-Beat („Pennsylvania 6 6666“), elektronisch verzerrter, noisiger Funk („Oral Sidney With A ‚U‘“), ein vom Sitar-Spieler Neel Murgai unterstützter psychedelischer Raga-Trip („Orthodoxy“) oder extrem verschärfter Surf-Rock („Agnes“). Zündendes Herzstück des widerständigen Aufbegehrens ist das dröhnend-kraftvolle „Muslim Jewish Resistance“, in dem Briggan Krauss über Ches Smith‘ gnadenlos vorantreibendes Schlagzeug brachiale Saxophonlinien legt, die perfekt mit den wütenden Call-and-Response-Passagen harmonieren. Smith und Ismaily nennen Neonazis, Faschisten, oder Namen wie Sessions, Bannon oder Trump, was Ribot mit „We say never again!“ quittiert. Über das gesamte Album hinweg schüttelt Marc Ribot seine sich jeglicher Schubladisierung widersetzenden, wild zusammengemixten Gitarrensounds aus dem Ärmel und Shahzad Ismaily und Ches Smith erweisen sich einmal mehr als Brüder im Geiste, die ihm an genial-verrücktem Einfallsreichtum in nichts nachstehen. Interessanterweise wirkt das Album beim ersten Durchlauf ziemlich sperrig und widerborstig, setzt sich bei wiederholtem Konsum aber in den Gehörgängen fest, als gäbe es gerade kaum etwas Eingängigeres zu hören.

(enja yellowbird)