„Tancredi“ begeistert als Hausoper der Bregenzer Festspiele in glänzender Besetzung. (Foto: Bregenzer Festspiele/Karl Forster)
Peter Füssl · 03. Mär 2022 · CD-Tipp

Black Country, New Road: Ants From Up There

Das gleichermaßen ausgeklügelt wie spontan wirkende Debüt-Album „For The First Time“ des Südlondoner Septetts Black Country, New Road schlug vor ziemlich genau einem Jahr mit seinem wahnwitzigen Mix aus Indie-Rock, Jazz, Post-Punk und Neo-Klezmer wie eine Bombe im internationalen Musik-Feuilleton ein. Ziemlich exakt ein Jahr später ist nun das naturgemäß mit Spannung erwartete Nachfolge-Album erschienen, fatalerweise zeitgleich mit der Ankündigung des 23-jährigen Frontmannes Isaac Wood auf Instagram, wegen zunehmender psychischer Schwierigkeiten aus der Band auszusteigen.

So haftet „Ants From Up There“ irgendwie gleich schon der schale Beigeschmack des Abschied-Nehmen-Müssens an, denn Woods wild mäandernder, mit Selbstzweifeln, Beziehungsfrust, Verlusten und Ängsten und bissigen Seitenhieben gespickter Stream of Consciousness nimmt schon eine sehr zentrale Stellung innerhalb der sich als gleichberechtigtes Kollektiv verstehenden Band ein. Zumal er sich auch noch merklich vom Sprechgesang in eine melodiösere Richtung entwickelt hat, was seiner zittrig-nervösen, gekonnt brechenden Stimme, die sich oftmals aus ruhigen Gefilden heraus zu unglaublicher Dramatik steigert, nur noch mehr Intensität verleiht. Der Musik-Mix konzentriert sich stilistisch auf Post-Rock, Indie-Folk-Pop und einige Minimal Music-Elemente, scheint etwas strukturierter und mit mehr Liebe zum Deatail arrangiert, verblüfft aber immer noch mit unorthodoxem Hakenschlagen, wirkungsvollen Kontrasten und dramatischen Stimmungsschwankungen. Ein Ausreißer ist „Mark’s Theme“, eine melancholische Ballade des Saxophonisten Lewis Evans für seinen an Covid verstorbenen Onkel. Die letzten drei Titel – „The Place Where We Inserted The Blade“, „Snow Globes“ und „Basketball Shoes“ – sind eine dreißigminütige Achterbahnfahrt zwischen minimalistischem Schönklang, freien Ausbrüchen (etwa des Drummers Charlie Wayne) und wundervoll inszeniertem, geschickt aufgebautem, ganz großem Drama, wenngleich die Noise-Attacken des Debütalbums weniger geworden sind. Ein grandioses Album, dennoch mussten nach dem Ausstieg von Isaac Wood alle Touren abgesagt werden. Aber Saxophonist Lewis Evans, Keyboarderin May Kershaw, Drummer Charlie Wayne, Gitarrist Luke Mark, Bassistin Tyler Hyde und Geigerin Georgia Ellery wollen auf jeden Fall weitermachen. „Ants From Up There“ sei ohnehin schon Material von gestern, man habe schon wieder jede Menge aufregend Neues, ließen sie bereits vor Selbstbewusstsein strotzend verlauten.

(Ninja Tune)