„Memory“ - neu in den Vorarlberger Kinos (Foto: Teorema)
Peter Füssl · 18. Feb 2019 · CD-Tipp

Beirut: Gallipoli

Beirut-Mastermind Zach Condon arbeitete seit 2016 an seinem fünften Album – hauptsächlich in New York, an seinem neuen Wohnort Berlin und einen Monat voller 12- bis 16-Stunden-Tage im Sudestudio in Guagnano in Apulien. Vieles spielte der Multiinstrumentalist selber ein, zum Stammpersonal zählten aber auch die alten Weggefährten Drummer Nick Petree, Bassist Paul Collins, Posaunist Ben Lanz und Trompeter Kyle Resnick.

Gabe Wax, der das bislang letzte, 2015 erschienene Album „No No No“ produziert hatte, war ebenfalls wieder mit von der Partie und half, Condons unorthodoxe Klangvorstellungen zu realisieren. Der 32-Jährige wollte „jedes Ächzen und Stöhnen, jede verstimmte Note, jedes Amp-Knistern, jede technische Fehlfunktion aus den dunklen Ecken meiner Lieder ans Licht zerren“ und jagte die Aufnahmen durch eine Reihe von defekten Verstärkern, PA-Systemen, Space Echos und Tape Maschinen. Folglich versprühen die 12 neuen Songs wieder den Beirut-typischen, zwischen Perfektionismus und Field Recording-Feeling angesiedelten Charme, der durch den räudigen Sound Condons alter, einem Zirkusmusiker abgekaufter Farfisa-Orgel zusätzlich befeuert wird. Stilistisch findet er die perfekte Balance zwischen dem opulenten Balkan-Polka-TexMex-Indie-Sound seiner ersten Produktionen und dem etwas reduzierteren Pop-Appeal seiner letzten Produktion. Zu dem in einer schlaflosen Nacht wie in Trance hingeworfenen Titelsong inspirierten ihn die Eindrücke von einer ziemlich altertümlich anmutenden katholischen Prozession in der apulischen Hafenstadt Gallipoli. Wie für Europa-Fan Condon üblich werden aber auch noch andere Orte mit Titeln bedacht, nämlich „Corfu“ und – man staune! – ein reichlich schrilles „On Mainau Island“. Letztere zählen zu den vier Instrumentalstücken des Albums, das über weite Strecken von den Beirut-typischen Ingredienzien, nämlich Condons irgendwie melancholisch sehnsuchtsvoll wirkendem Bariton, simplen Trommeln, Ukulele, der erwähnten Orgel und hymnischen Trompetenklängen geprägt ist. Für Brass-Fans von besonderem Interesse sind „Light in the Atoll“ und „We Never Lived Here“. Berlin scheint Zach Condon jedenfalls gut zu tun, da er es in den USA momentan nicht aushalte, wie er dem „Musikexpress“ erzählte: „Die angespannte Stimmung ist in den Straßen New Yorks täglich spürbar. Das gesamte Land ist verloren, ein Clown Country“. (4AD/Beggars)

Konzert-Tipp: Beirut sind am 15.4. im Zenith in München zu hören.