Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Peter Füssl · 05. Sep 2016 · CD-Tipp

Angel Olsen: My Woman

Hierzulande ist die 29-jährige Angel Olsen einem größeren Publikum als Background-Sängerin von Bonnie „Prince“ Billy bekannt geworden, ehe sie vor zwei Jahren mit ihrem zweiten Album „Burn Your Fire For No Witness“ einiges Aufsehen erregte. An ihrem rauen, absolut ungekünstelten Lo-Fi-Sound mögen sich vielleicht die Geister scheiden, aber ihre emotionsgeladene Stimme nimmt in ihrer Direktheit und Dringlichkeit gefangen.

Das grundlegende Thema sei „das komplizierte Chaos eine Frau zu sein und für sich selbst einzustehen“, erklärt die aus St. Louis, Missouri stammende Sängerin und Gitarristin zu den zehn neuen Songs ihres zweiten Longplayers „My Woman“. Um eine desillusionierte Liebe geht es im synthesizerverbrämten Opener „Intern“, der anfangs nach Lana Del Rey klingt – ja, Olsen kann’s auch lasziv, kippt aber bald schon in die gewohnte Widerborstigkeit. „Shut Up, kiss me, hold me tight / Stop your crying, it’s alright“ schmettert sie kämpferisch zur Grunge-Gitarre, denn Liebeskummer, das war gestern. Damit gibt sie den Ton für die lebhafte erste Hälfte der Platte vor, Melancholie und Selbstzweifel dominieren die zweite, ruhigere Hälfte mit den beiden mehr als sieben Minuten langen Songs „Sister“ und „Woman“. Ersterer countryfolk-orientiert mit einem ekstatischen Gitarrensolo als Höhepunkt, letzterer mit wummerndem Bass grundiert und auf sphärischen Klangwolken dahinschwebend – beide auch für ganz großes Drama tauglich. Aber es geht auch unglaublich zart, etwa auf dem nachdenklichen „Those Were The Days“. Angel Olsen hat ihr musikalisches Spektrum in Richtung Dream-Pop und Indie-Rock erweitert, ohne sich selbst untreu zu werden – und zum Schluss ist sie auch wieder ganz auf sich selbst zurückgeworfen: ihre verhallte, verträumte Stimme, nur mit ein paar simplen, dilettantisch wirkenden Pianoakkorden unterlegt – intimer geht’s kaum mehr. (Jagjaguwar)