Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Peter Füssl · 30. Okt 2018 · CD-Tipp

Ambrose Akinmusire: Origami Harvest

“Was ist die verrückteste Idee, die du auf Lager hast?“ – mit dieser Frage gaben die Kuratoren von Manhattans Ecstatic Music Festival und der Liquid Music Series in St. Paul/Minnesota die Marschrichtung vor, als sie Ambrose Akinmusire mit einer Auftragskomposition bedachten. Das ließ sich der 36-jährige Trompeter aus Oakland nicht zweimal fragen und stellte in sechs Stücken mit einer knappen Stunde Spieldauer unter dem Motto „Extremes (masculine/feminin, high/low arts, passivity/aggression, free improvisation/controlled calculation, American ghettos/American affluence, HipHop/classical ...)“ extreme Positionen nebeneinander, ließ sie sich aneinander reiben, sie verschmelzen und sich wieder separieren.

Ein Jahr lang tüftele der ungemein talentierte Komponist an diesem musikalisch höchst ambitionierten und gesellschaftspolitisch engagierten Reigen von Gegensatzpaaren, die auch im Line-up abzulesen sind: So nehmen der aus Kalifornien stammende, musikalischen Experimenten gegenüber stets aufgeschlossene, kritische Rapper und Autor Kool A.D. (bürgerlich: Victor Vazquez) einerseits, und das als New Yorks mutigstes und wildestes Ensemble für Neue Musik geltende Mivos Quartet andererseits ganz zentrale, wenn auch einander diametral gegenüberstehende Positionen ein. Dazwischen, dahinter und darüber agieren Pianist/Keyboarder Sam Harris, Drummer Marcus Gilmore und Tenorsaxophonist Walter Smith, allesamt exzellente Könner und altbewährte Mitstreiter des wieder einmal seine unkonventionellen Qualitäten voll ausschöpfenden Ambrose Akinmusire. Der rückt sein fabelhaftes Trompetenspiel keineswegs ständig in den Vordergrund, wenn er aber einmal loslegt, dann mit der ganzen Kraft und Bandbreite seiner exquisiten instrumentalen Fähigkeiten. Rhythmisch, harmonisch und dynamisch perfekt konstruierte Streicherattacken, fesselnde Jazz-, Funk- und Soul-Passagen, sich kein Blatt vor den Mund nehmende, die Schattenseiten des Daseins in der Black Community eindringlich schildernde Spoken-Word-Akrobatik  – Akinmusire spielt auf seinem vierten Blue Note-Album virtuos mit Kontrasten, was Schubladisierungsfanatikern vielleicht Kopfzerbrechen, aufgeschlossenen Geistern aber allerhöchstes Hörvergnügen bereiten wird.

(Blue Note/Universal)