"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Peter Füssl · 10. Mai 2017 · CD-Tipp

Aimee Mann: Mental Illness

Herzerwärmendes Fingerpicking, Lagerfeuer-Schrumm-Schrumm-Gitarre, gefühlvolles Pianoklimpern, wunderbare Gesangsharmonien, emotionsgeladene Streicher – alles so zusammengemischt, dass stets die lässig unterkühlte und gleichzeitig einschmeichelnd zarte Stimme Aimee Manns in den Vordergrund gestellt wird. Man fühlt sich angenehm an die 1970-er Jahre erinnert, etwa an die noch jazzfernen Folk-Alben Joni Mitchells. Aimee Mann lässt damit ihre Indie-Pop-Versuche hinter sich und schließt an ihre eigenen größten Erfolge Ende der 1990-er Jahre und kurz nach der Jahrtausendwende an, etwa die brillante Filmmusik für Paul Thomas Andersons „Magnolia“ oder die Alben „Bachelor No. 2“ und „Lost In Space“.

All das könnte auch kitschig sein, ist es aber nicht, denn das Album der aus Richmond/Virginia stammenden Wahlkalifornierin heißt natürlich nicht zufällig „Mental Illness“, und Titel wie „Stuck In The Past“, „You Never Loved Me“ oder „Lies Of Summer“ lassen unschwer darauf schließen, dass die Feder dieser Großmeisterin gepflegter Melancholie, präziser Beobachtung und spitzfindiger Daseinsanalysen nichts an Schärfe verloren hat. Selbst ein Song wie „Good For Me“ handelt exakt vom Gegenteil, vom Sich-die-Dinge-schön-Reden und Die-Realität-nicht-erkennen-Wollen. In den elf Songs schlüpft Aimee Mann mit viel Feingefühl, aber auch mit ironischer Distanz in verschiedene Rollen und präsentiert so aus verschiedenen Blickwinkeln grenzwertige Bewusstseinszustände und existentielle Notlagen – tragischen Liebeskummer, tiefe Einsamkeit, vom Einfach-verschwinden-Wollen bis hin zu Suizidgedanken. Das kommt weder melodramatisch noch depressiv daher, sondern klug, witzig und poetisch, und letztlich vermittelt die Sängerin mit ihrer oft eine fast schon hypnotische Wirkung ausstrahlenden Stimme, dass es immer irgendwie weitergeht. Sie liebt auch das Spiel mit Klischees, selbst jenes mit den eigenen, und auch jenes mit Erwartungshaltungen: „Ich habe das Gefühl, dass man mich als die sieht, die diese wirklich depressiven Songs schreibt. Sollte also jemand gemeint haben, meine Songs wären langsam, deprimierend, traurig und akustisch, so habe ich mir jetzt erlaubt, die traurigsten, langsamsten, akustischsten, Egal-ob-alles-Walzer-sind-Songs zu schreiben, die ich konnte. Soft bis zum Gehtnichtmehr.“ Kein Wunder also, dass sich die 56-jährige Singer-Songwriterin, die ihr eigenes Label witzigerweise „SuperEgo Records“ getauft hat, über die Nachrichtenmeldung zu ihrem neuen Album „Aimee Mann announces Mental Illness“ besonders amüsiert hat.

(SuperEgo Records)