Das Bochabela Orchestra und der Jugendchor Voices lösten Euphorie aus
Mit afrikanischen Beerdigungsgesängen und Mozarts Requiem wurden die Menschen zusammengeführt
„Zwischen Himmel und Erde“ lautete das Motto einer besonderen Begegnung bei den Bregenzer Festspielen. Seit 2007 ist der Bratschist Klaus Christa Mentor und künstlerischer Leiter des Bochabela String Orchestras aus Bloemfontain in Südafrika. Nun brachte er den Jugendchor Voices und die jungen Musiker:innen mit einer unkonventionelle Programmidee zusammen. Der Kunst des Trauerns gingen die Sänger:innen und Musiker:innen unter der Leitung von Benjamin Lack mit Mozarts Requiem sowie traditionellen afrikanischen Beerdigungsgesängen nach. Was auf den ersten Blick ernst und besonnen wirken mochte, entwickelte sich im großen Saal des Festspielhauses zu einem berührenden und mitreißenden Fest. Mit frenetischem Applaus und Standing Ovations bedankte sich das Publikum für dieses einmalige Erlebnis.
Sogleich der Beginn des Konzertes zeigte, dass in anderen Kulturen eine ganz andere Musizierhaltung herrscht als hierzulande. So ist es für Mitwirkenden des Bochabela String Orchestras ganz selbstverständlich, dass sie nicht nur ihre Instrumente hervorragend beherrschen, sondern gleichzeitig auch singen und tanzen. Und so betraten die weit über 100 Mitwirkenden durch den Zuschauerraum die Bühne, nahmen die Konzertbesucher:innen in ihre Mitte und boten anschließend eine mitreißende Performance.
Die Bochabelas sind hierzulande bestens bekannt. Klaus Christa lernte das Streicherprojekt während eines Meisterkurses beim Stellenbosch Chamber Music Festival kennen und war von der Idee dieses Projektes begeistert. Um schwarzen Kindern die Möglichkeit zu bieten, ein Streichinstrument zu erlernen und sozialen Zusammenhalt zu erleben, hat der amerikanische Kontrabassist Guy Peter das Mangaung String Programm in den Slums von Bloemfontain gegründet. Seither schreibt die Initiative eine großartige Erfolgsgeschichte – das Bochabela String Orchestra ist der künstlerische Botschafter dieses Musikprojektes. Seit nunmehr 13 Jahren hat Klaus Christa die künstlerische Leitung inne. Schon öfters lud er die Orchestermitglieder nach Vorarlberg ein. Inzwischen haben die Jugendlichen aus Südafrika mit ihrer freudvollen Art zu musizieren schon so viele Musikinteressierte begeistert, dass Tourneen durch Mitteleuropa und zu namhaften Festivals gegeben werden.
Die Idee, mit Mozarts Requiem und tradierten afrikanischen Liedern die unterschiedlichen musikalischen Traditionen und Riten des Verabschiedens von Verstorbenen miteinander in Beziehung zu setzen, war ein langer und weiter Weg. Denn im vergangenen Jahr verhinderten Corona und die erschwerten Reisebedingungen das Vorhaben. Was lange währt, wird gut. Die Probenarbeiten im Orchester leitete Klaus Christa während zwei Workshops in Südafrika. Paul Burtscher bereitete die Sänger:innen des Jugendchors Voices vor. Für den ursprünglich engagierten Chorleiter Gerald Wirth sprang Benjamin Lack ein. Er leitete das Orchester und den Chor mit seiner mitreißenden Energie und führte die Sänger:innen und Musiker:innen zu Höchstleistungen.
Alle gemeinsam haben es sich mit dem exquisiten Programm nicht einfach gemacht. Auf der einen Seite erklang das Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart (KV 626). Zwischen den einzelnen Messteilen wurden Beerdigungsgesänge und Hymnen gesungen, gespielt und getanzt. Auf diese Weise ergaben sich Erfahrungs- und Beziehungsebenen, die Zeit für Reflexion boten und Mozarts Requiem in einem ganz neuen Licht erlebbar machte. Der Wechsel zwischen der klassischen Musizierhaltung und den meist mit Perkussion begleiteten „Kirchenhymnen“ war bewundernswert und zeigte ein Wesensmerkmal der afrikanischen Kultur eindrücklich. Der Gesang begleitet die Menschen in allen Lebenslagen und ist so selbstverständlich wie das Tanzen während des Singens.
Kunstvoll verschachtelt und natürlich entfaltet
Die freudvolle und begeisterte Ausstrahlung der Sänger:innen und Musiker:innen ließ den Funken von der Bühne zum Publikum sogleich überspringen. Ihre Energien bündelten die Mitwirkenden konzentriert und mit viel Bedacht aufeinander. So stellten alle gemeinsam eine sehr beachtliche Deutung des Requiems in den Raum. Mit viel Esprit und Können wurden die Fugen und komplexen musikalischen Sätze ausgestaltet. Beeindruckend war auch die abschnittsweise beschwingte Tempowahl. Dynamische Schübe, straffe Phrasierungen und eine genaue Diktion der Sänger:innen verliehen der Musik Profil. Darüber hinaus fügten sich die Holz- und Blechbläser:innen gut in den Gesamtklang ein. Das Solist:innenquartett mit Shira Patchornik (Sopran), Fleuranne Brockway (Alt), Katleho Mokhoabane (Tenor) und Kabelo Leyana (Bariton) bereicherte den Chor und das Orchester und ließ durch das gut aufeinander abgestimmte Timbre aufhorchen.
Eindringlich wirkten die meist mit Perkussion begleiteten Beerdigungsgesänge, die alle gemeinsam sangen. Die Gegensätze zwischen den Chor-Orchesterpartien und den Gospels sowie Liedern weiteten den Horizont und unterstrichen die emotionale Wirkung der lediglich von wenig Percussion begleiteten Singstimmen wunderbar. Einen wesentlichen Beitrag leisteten dabei die hervorragenden Arrangements von Michael Barrett, Thembelihle Dunjana, Martin Lindenthal und Zuko Samela. In zwei Songs traten die beiden Musikerinnen Mookho Rankhala und Resego Modise aus den Reihen des Bochabela String Orchestras hervor. Mit ihren kräftigen und zugleich samtweichen Stimmen führten sie als (Vor-)Sängerinnen in „Ho Dula le Ntate“ und in „We Bathahandwa“ den Gesang an.
Das Projekt nach einer Idee von Klaus Christa stieß auf enormen Zuspruch. Wieder einmal war zu erleben, welche Inhalte Festspiele tatsächlich ausmachen und bereichern. Neben dem Einkauf von Hochkultur sind es die unkonventionellen Ideen von inspirierten Menschen und die Potentiale junger, begeisterter Mitwirkender. Gut, dass die Bregenzer Festspiele so großartigen Projekten während den Hauptspielzeiten ein Podium bieten. Dieses Erlebnis wird den Jugendlichen und den Konzertbesucher:innen von hier und dort lange in Erinnerung bleiben.
www.bregenzerfestspiele.com