Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Karlheinz Pichler · 10. Jän 2022 ·

„Biertrinken ist der einzige Kommunismus der funktioniert!“

Das Rankweiler Kult-Wirtshaus Sternbräu stand seit 1899 im Besitz der Familie Wetzel. Im Frühling 2019 wurde bekannt, dass das Haus an eine Immobilienfirma verkauft und Rankweil damit um eine traditionsreiche Einrichtung ärmer werde. Nach 121 Jahren Betrieb war der 11. November 2020 der letzte reguläre Öffnungstag. Nachdem die Nachricht vom Ende des Sternbräus die Runde gemacht hatte, begann der Feldkircher Fotograf Nikolaus Walter das Haus, seine Eigentümer und seine Gäste, die sich aus allen möglichen gesellschaftlichen Schichten zusammensetzten, zu fotografieren. Nun brachte die Marktgemeinde Rankweil unter dem Titel „Sternbräu Rankweil“ ein Buch heraus, dass mit zahlreichen fotografischen Impressionen Walters sowie Texten der Familie Wetzel sowie Norbert Schnetzer und Doris Knecht bestückt ist.

Zuletzt stand mit Gunther Wetzel bereits die vierte Wetzel-Generation am Ruder des Sternbräus, seit es 1899 von der Familie erworben wurde. Legendär aber waren vor allem die Jahrzehnte unter der Ägide von dessen Vater, Helmut Wetzel, der ein echtes Original ist (war) und zumeist barfuss im Lokal und im Gastgarten anzutreffen war. Wie dieser betont, habe er 1983 aufgehört, selber Bier zu brauen. Stattdessen suchte er den Kontakt zu Bierbrauern, die ihm das Bier so herstellten, wie er es gerne hätte. Viele Gäste besuchten in der Folge das Sternbräu, weil Wetzel weit und breit das breiteste Biersortiment im Angebot hatte, vom Guiness bis zum mährischen Pils.
Laut Wetzel war das Sternbräu ein Wirtshaus und kein Gasthaus. Der Unterschied sei, dass im Gasthaus der Gast sage, was er wolle, im Wirtshaus jedoch der Wirt bestimme, was Sache sei. Der Gast habe zu tun, was er wolle, und nicht umgekehrt. Das sei ihm wichtig. Und von ihm wurden auch alle Gäste gleich behandelt, egal ob es sich um einen Doktor, einen Hofrat oder einen Hilfsarbeiter gehandelt hatte. Wetzel: „Das Biertrinken ist der einzige Kommunismus, der funktioniert.“      

Fotografisches Denkmal gesetzt        

Nikolaus Walter, der früher ausschließlich analog und schwarzweiß fotografiert hatte, ist außer mit Fotoreportagen vor allem mit fotografischen Langzeitstudien bekannt geworden, in denen er sich über mehrere Jahre hinweg immer wieder mit einem bestimmten Thema auseinandergesetzt hat. So hielt er beispielweise die Entwicklung des Großen Walsertal über Jahrzehnte im Bild fest. Buchdokumentationen wie etwa „Steiles Erbe“ sind heute zu wichtigen sozialhistorischen Quellen geworden.
Auch das „Sternbräu Rankweil“ darf als solches Langzeitprojekt gewertet werden. Die letzten eineinhalb Jahre vor dem Zusperren besuchte Walter dieses Wirtshaus fast wöchentlich und hielt Unmengen von Situationen mit der Kamera fest. „Es sind nicht Holz, Stahl, Steine und Beton, die diese Gaststätte ausgemacht haben, sondern es sind die Menschen, die an den Tischen in diesem Gebäude Platz genommen haben", sagt Helmut Wetzel. Der neue Bildband von Nikolaus Walter belegt dieses Statement mit imselben Maße eindrücklichen wie einfühlsamen Bildern vom „Sterna" und seinen Gästen. Die Schwarz-Weiß-Aufnahmen der älteren honorigen Herren am Stammtisch mit den Wandmalereien im Hintergrund wirken wie Genre-Bilder aus vergangenen Zeiten. Daneben waren es die vielen unterschiedlichsten Gruppen, Arbeits- und Vereinskollegen, die einfach so im „Sterna" zusammengekommen sind. „Man trifft sich auf ein Bier, das war es halt!“ (Wetzel) Und Walter drückte immer im richtigen Moment auf den Auflöser. Wenn die Stammgäste gerade am heftigsten gestikulierten, wenn eine Runde zum Prost die Gläser klirren ließen, oder wenn jemand beim Kartenspiel gerade den Trumpf zum Stich ausspielte.
In der warmen Jahreszeit verlagerte sich das gesellige Zusammensein vor allem in den Gastgarten. An einem lauen Sommerabend musste man Glück haben, um noch einen guten Platz ergattern zu können. Ursprünglich befanden sich im Garten drei Ahornbäume und zwei Kastanienbäume. Am Schluß blieb nur noch ein Ahornbaum übrig.
Nikolaus Walter bat seine „Opfer“, die er fotografieren wollte, vorab um Einverständnis. Den Auslöser betätigte er aber meist erst, wenn die Leute nicht mehr damit rechneten. Somit wirken seine Aufnahmen überaus spontan und authentisch. Die situativen Szenerien spiegeln die realen Stimmungsbilder wider. Das Buch „Sternbräu Rankweil“ liefert nicht nur einen staunenswerten Einblick in die Geschichte des Hauses, sondern wirft auch einen unverfälschten Blick auf die Gesellschafts- und Sozialgeschichte Rankweils. Und der Fotograf Nikolaus Walter evoziert mit seinen Bildern in so manchem „Sterna"-Besucher eindringliche Erinnerungen an so manchen gemütlichen Hock.      

Nikolaus Walter: Sternbräu Rankweil,
Sonderband 2 zur „Reihe Rankweil“. Hrsg.: Marktgemeinde Rankweil
Mit Texten von Helmut Wetzel, Doris Knecht, Norbert Schnetzer u.a.
Hardcover, 92 Seiten, ISBN 978-3-901469-30-5, € 20.-