Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Walter Gasperi · 13. Jän 2022 · Film

Aktuell in den Filmclubs (14.1. - 20.1. 2022)

Im Kino Lustenau wird diese Woche in der Programmkinoschiene Roy Anderssons großartiger "Über die Unendlichkeit - About Endlessness" gezeigt. In der LeinwandLounge in der Remise Bludenz steht Stefan Ruzowitzkys visuell aufregender Krimi "Hinterland" auf dem Programm.

Über die Unendlichkeit - About Endlessness: Unverkennbar ist der Stil des Schweden Roy Andersson: Statisch bleibt die Kamera, erfasst in langen Totalen, die stets eine ganze Szene umfassen, das Geschehen. Kein Schnitt sorgt hier für Akzentuierung, sondern der Zuschauer wird auf Distanz gehalten und muss sich selbst in diesen Tableaus umsehen, in denen aufgrund brillanter Tiefenschärfe Vordergrund und Hintergrund gleich wichtig sind.
Keine stringente Geschichte entwickelt Andersson dabei, sondern reiht vielmehr 32 kleine Szenen aneinander, die durch Schwarzfilm voneinander getrennt und inhaltlich nur teilweise miteinander verbunden sind. Verbindende Themen sind aber Glaube, Einsamkeit, Verletzlichkeit, Krieg und Vergänglichkeit.
Aus dem Off leitet eine Frauenstimme, zu der Andersson nach eigener Aussage die Erzählerin Sheherazade in den Geschichten von „Tausendundeiner Nacht“ inspiriert hat, diese Miniaturen meistens, aber nicht immer mit dem Satz „Ich sah einen Mann, der…“ oder „Ich sah eine Frau, die…“ ein, zieht sich dann aber sogleich zurück.
Weltpolitisches steht dabei neben Alltäglichem, scheinbar Banales neben Existentiellem, und durch Raum und Zeit scheint diese Erzählerin zu reisen, wenn bald der Blick auf Hitler im Führerbunker oder die Deportation deutscher Soldaten nach der Niederlage in Stalingrad fällt.
Die Gleichgültigkeit der Welt wird sichtbar, wenn ein Mann in einem Bus von der emotionslosen Menge kritisiert wird, weil er öffentlich und nicht zu Hause weint, oder ein Priester vom Psychiater mit seinem Glaubenszweifel abgewiesen wird, weil die Sprechstunde vorüber ist,
So trist aber auch das Gezeigte ist, so sehr ist es doch immer wieder von absurdem Witz durchzogen, und alles Schwere wird durch die Leichtigkeit und Poesie der Inszenierung aufgehoben.
Kino Lustenau: Di 18.1., 20 Uhr + Mi 19.1., 18 Uhr

Hinterland: Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs versetzt ein Serienkiller Wien in Angst und Schrecken. Der psychisch schwer angeschlagene Kriegsheimkehrer Perg (Murathan Muslu), der vor dem Krieg ein gefeierter Inspektor war, beginnt zu ermitteln, muss aber rasch erkennen, dass er in den Fall involviert ist.
Die Handlung an sich ist nicht besonders originell, wirkt von Serienkillerfilmen wie David Finchers "Se7en" inspiriert. Doch wie Stefan Ruzowitzky die Stimmung dieser chaotischen Umbruchszeit evoziert, begeistert: Statt auf Realismus setzt der Oscar-Preisträger dabei auf Künstlichkeit und ließ die Schauspieler:innen großteils vor Bluescreen agieren, um danach am Computer den Hintergrund zu ergänzen.
Was in realistischer Nachstellung leicht verstaubt und theaterhaft hätte wirken können, entfaltet gerade durch seine Künstlichkeit Kraft und vermittelt dicht das Irreale, zutiefst Beunruhigende und Verstörende dieser Nachkriegszeit, in der die alten Ordnungen keine Gültigkeit mehr hatten. Eine Bildwelt wurde geschaffen, die vom Vorspann an vom expressionistischen Klassiker "Das Cabinet des Caligari" ebenso inspiriert ist wie von Graphic Novels oder "Sin City".
Im Visuellen spiegelt sich der völlige gesellschaftliche Umbruch mit Ablöse des Habsburger-Großreichs durch die kleine Republik, mit Kriegsinvaliden und Friedensdemonstrationen, mit gärendem Antisemitismus, Angst vor dem Bolschewismus und gleichzeitig schon aufkommendem Nationalsozialismus. Rot leuchten in dieser düsteren Welt nur die österreichische Fahne oder sozialistischen Banner bei Demonstrationen. Und zu den gekippten Perspektiven kommen immer wieder Top Shots, die die Figuren im Raum isolieren, sie einer höheren Macht ausgeliefert erscheinen lassen.
LeinwandLounge in der Remise Bludenz: Mi 19.1., 19 Uhr

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