"Mit einem Tiger schlafen": Anja Salomonowitz‘ Spielfilm über die Künstlerin Maria Lassnig derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: Stadtkino Wien Filmverleih)
Peter Füssl · 23. Feb 2023 · Musik

Austrian Syndicate – die Geburt einer Fusion-Jazz-Supergroup

Im Austrian Syndicate treffen sich mit David Helbock und Peter Madsen zwei exzellente Tastenartisten, mit Raphael Preuschl und Herbert Pirker das vielleicht beste Rhythmusgespann Österreichs und mit Claudio Spieler ein Perkussionist der Extraklasse. Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass der erste öffentliche Auftritt im restlos ausverkauften Veranstaltungssaal des Vorarlberg Museums (mehr als 90 Namen standen noch auf der Warteliste) erwartungsgemäß verlief – nämlich phänomenal.

Zwei Tastenzauberer ...

Bereits der Opener, die Helbock-Komposition "There Is No Way To Peace", machte klar, dass dieses exzellente Quintett für einen höchst vergnüglichen Abend sorgen wird, der Kopf und Bauch gleichermaßen zufriedenstellt. Atmosphärisches Synthie-Wabern wirkt wie eine erste Kontaktaufnahme durch Außerirdische, ehe Drums und Bass in einen markanten Groove überleiten, das musikalische Geschehen rasch an Fahrt aufnimmt und sich zum temporeichen Fusion-Stück mit reizvollen Unisono-Passagen von Klavier und Keyboards und einfallsreichen Einwürfen des Perkussionisten entwickelt – bis hin zum explosiven Finale. Nicht weniger aufregend verläuft Madsens "Hang On For Dear Life", das mit einem impressionistischen Piano-Intro auf dem Bösendorfer beginnt und mit einem Knalleffekt endet. Darauf folgt die Madsen-Ballade "We Need Some Help Down Here", die von stimmungsvollen Klängen auf dem Flügel in eine unglaublich leicht ins Ohr gehende, auf dem Synthie intonierte Melodie übergeht. "The Search" klingt zuerst dem Titel entsprechend nach kollektiven Sounderkundungen, entwickelt sich aber rasch in ein rhythmusgetriebenes Stück voller cooler Breaks, in dem Peter Madsen über die gesamte Tastatur rast und mit harten Akkordanschlägen Stimmung macht.

Aus den Federn von David Helbock und Peter Madsen stammt der Großteil der Kompositionen. Alles ist enorm kraftvoll, quillt fast über vor Energie, wirkt aber auch elaboriert und ausgeklügelt und gewinnt durch subtile Feinheiten einen ganz besonderen Reiz. Joe Zawinuls Erfolgsrezept, dass es einfach zu hören und kompliziert zu spielen sein soll, kommt einem öfters in den Sinn.

Man merkt aber auch sofort, dass sich Peter Madsens und David Helbocks einstiges Lehrer-Schüler-Verhältnis längst zu einer von wechselseitiger Anerkennung und Bewunderung getragenen Komplizenschaft weiterentwickelt hat, die nun im Austrian Syndicate zur optimalen Bündelung der Kräfte führt. In einer kurzen Ansprache bedankte sich „the old guy“ (Eigendefinition) Madsen bei Helbock für dessen Initiative und enormes Engagement, er habe keine Sekunde überlegen müssen, als ihm angeboten wurde, in dieser Band unter lauter Jungen mitzumachen. Die strikte Aufteilung, dass sich Madsen auf den Akustikflügel und Helbock auf die elektronischen Instrumente konzentriert, führt zu einer Unmenge an einfallsreichen, höchst kreativen Interaktionen. David Helbock wirkt inmitten seiner sechs verschiedenen Keyboards wie ein Astronaut im Cockpit – zumal er meistens mehrere Instrumente gleichzeitig bedient.

Das fünfte Stück ist dann eine von zwei Fremdkompositionen des Abends, nämlich Joe Zawinuls „Money In The Pocket“ – eine Reverenz an den legendären Impulsgeber für dieses Projekt, der mit seinem berühmten Zawinul Syndicate und einem sehr speziellen Mix aus Jazz und Worldmusic von 1988 bis 2007 Musik-Geschichte geschrieben hat. Dieses Stück von Zawinul wurde allerdings bereits 1966 zweimal veröffentlicht – einmal als Titelstück auf dem gleichnamigen Album seines damals höchst populären Arbeitgebers Cannonball Adderley, aber auch auf dem ersten Studioalbum unter seinem eigenen Namen. Der gemütliche, bläserdominierte Soul-Jazz des Originals kommt allerdings nur in einigen Interludes herüber, der Rest entwickelt sich zur Up-tempo-Spielwiese für David Helbock, der die eingängige Melodie mit witzigen elektronischen Effekten verfremdet.

 ... und kongeniale Rhythmiker

Wenn bislang hauptsächlich von den Tastenartisten die Rede war, entspricht das aber nur zum Teil den Eindrücken, die man an diesem hervorragenden Konzertabend gewinnen konnte. Denn natürlich ist die Groove-Orientierung ein wesentliches Merkmal des Austrian Syndicate, was klarerweise auch die Rhythmiker permanent ins Rampenlicht rückt. Drummer Herbert Pirker und Raphael Preuschl am fünfsaitigen E-Bass und an der Bassukulele spielen schon seit 25 Jahren in den unterschiedlichsten Bands zusammen, was eine außerordentliche Vertrautheit mit sich bringt, die aber nicht zu geruhsamer Routine führt, sondern sich in durchaus spannungsgeladenen Interaktionen entlädt. Die beiden waren auch schon auf Helbocks 2015-er Album „Aural Colors“ vertreten, man kennt sich also bestens. Bei ihnen lag die treibende Rhythmusarbeit  in besten Händen, wobei Pirker des Öfteren mit knallharten Beats überraschte und Preuschl mit extracoolen Bassgrooves. Letzterer steuerte auch die rasante Komposition „Dinde et Dindon“ bei. Nahtlos ins rhythmische Gefüge integrierte sich der aus Bregenz stammende Hakim Ludin-Meisterschüler Claudio Spieler, der auf seinem umfangreichen Perkussionsarsenal das ohnehin von den diversen Orgeln und Keyboards her schon außerordentlich breite Soundspektrum noch um zusätzliche Klangfarben bereicherte und effektvolle Glanzlichter setzte. Für Begeisterung sorgte sein Konnakol-Solo, eine zungenbrecherisch atemberaubend schnelle Form der indischen Vocal Percussion, die er auf einer kleinen Rahmentrommel begleitete.

Jedes der elf Stücke, die das formidable Quintett an diesem Abend spielte, verfügte über ganz eigene Reize, fügte sich aber auch in einen sehr speziellen Band-Sound ein. So überzeugte Peter Madsens „Manxman“ etwa mit Helbocks farbenreichem und witzigem Intro, mitreißenden Grooves, interessanten Breaks, Madsens funkelnden Tastenexplosionen und einem extrem coolen Bass-Solo. David Helbocks „Ballad für Schönenbach“ war nach anfänglichem Vogelzwitschern mit einer großen Fülle an Sounds angereichert, bezauberte mit wunderschön verschränkten Melodien auf Piano und Keyboards und vermittelte durchaus einen Eindruck vom Charme der abgelegenen Vorsäßsiedlung im Bregenzerwald. Selbst Mozarts Frühlingslied „Komm, lieber Mai, und mache“ gewann dank einer liebevollen Frischzellenkur an karibischem Flair und entwickelte sich phasenweise zur brodelnden Hexenküche.

Riesiges Potential

An diesem Abend hatte man die seltene Gelegenheit, der Geburt einer Fusion-Jazz-Supergroup beizuwohnen. David Helbock betonte der KULTUR gegenüber, dass er „gerade alles, was er an Zeit, Energie und Geld habe, in dieses Projekt investiere“. Alles sei noch im Fluss, noch nicht einmal die Namensgebung der einzelnen Titel sei fix abgeschlossen. Im Rahmen dieser vierteiligen Mini-Tournee könne sich noch manches ändern. Noch dieses Frühjahr geht’s zu Plattenaufnahmen zum renommierten Münchner Jazzlabel ACT, und im Herbst wird das Album dann im Rahmen einer ausgiebigen Tournee präsentiert, wobei jetzt schon, also noch vor der ersten offiziellen Aufnahme, bereits mehr als zwanzig Auftrittstermine feststehen. Am riesigen Potential, das hinter diesen fünf Ausnahmekönnern steckt, besteht ja ohnehin kein Zweifel, das Austrian Syndicate wird sicher auch international reüssieren.

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