Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Gunnar Landsgesell · 24. Feb 2023 · Film

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war

Familienporträt und Zeitbild: Eine Coming-of-Age-Geschichte eines Jungen, die sich über mehrere Jahrzehnte spannt und davon erzählt, dass es Zusammenhalt und Geborgenheit gibt, auch wenn jeder seine eigenen Träume hat.

Mutter Iris (Laura Tonke) malt Bilder über Rom. Dort sind die Leute auch in der Nacht auf der Straße, da gibt es Leben, und da gab es Franco. Wenn Iris von Franco spricht, dann klingt das immer ganz anders, als wenn sie mit Richard (Devid Striesow) spricht. Iris und Richard, das sind die Eltern von Joachim, aus dessen Erinnerungen diese Familiengeschichte erzählt wird. Sie reicht von den späten 1970ern bis in unsere Zeit, wo man bei Jesse als Erwachsenem ankommt. Familiengeschichten gibt es viele im Kino, aber diese hat eine besondere Seite. Dass diese Familie in Norddeutschland ihr Haus mitten im Gelände einer Psychiatrie hat, wo Joachim und seine zwei Brüder aufwachsen, ist ein nettes Detail. Denn Richard, der Professor in dieser Psychiatrie, sieht die Patienten als erweiterte Familie an. Sie sind bei Geburtstagen mit dabei, und Regisseurin Sonja Heiss hat mit realen Patienten einer psychiatrischen Einrichtung eine frische Note in ihre Verfilmung gebracht. Was aber diese Familiengeschichte wirklich von anderen unterscheidet, verrät schon der Titel: „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war" verknüpft die Vergangenheit als persönlich gefärbte (Kindheits-)Erinnerung mit der Zukunft als nicht eingelöste Sehnsucht. „Wie es nie war" ist dabei ein wichtiger Teil dieser Erzählung: die Brüche einer Familie, wo die Mutter ihre glücklichen Momente in einer anderen Zeit, einer anderen Welt findet; wo der Vater sein Glück offenbar bei Liebesabenteuern abseits der Familie sucht; und wo die zwei Brüder von Joachim diesen immer wieder aufziehen, den „Wasserkopf", der ein bisschen in seiner eigenen Welt lebt, so wie seine Mutter.

Die Teile zu neuem Bild zusammengefügt

Sonja Heiss macht aus dem Film, der auf der gleichnamigen Romanvorlage basiert, eine Komödie mit tragischen und melancholischen Tönen, vor allem aber nimmt sie ihre Charaktere ernst. Das muss man ihr hoch anrechnen, denn gerade in deutschsprachigen Komödien wirken die Figuren oft so, als hätte man ihnen das Drehbuch übergestülpt. Hier jedoch wirken Dialoge vielfach so, als wären sie aus der jeweiligen Situation, letztlich aus dem Leben gegriffen. Wenn Joachim mit seinem älteren Bruder über die erste Freundin spricht, dann knapp und nüchtern, in einer Mischung aus Peinlichkeit und Offenheit. Wenn der Vater wegen seines Seitensprungs gemieden wird, dann findet sich eine irritierend pragmatische Ebene, auf der Joachim mit ihm dennoch spricht. Heiss bringt einen Realismus ein, die vielen Mikro-Verwerfungen in dieser Familie möglichst pointiert zu erzählen, ohne daraus Ulk zu machen. Nebenbei gelingt es, die Zeitensprünge bis in die 1980er Jahre mit ihren düsteren Tönen und darüber hinaus stimmig zu verbinden. Die Leichtigkeit und Großzügigkeit der Inszenierung wurden klug in die Erzählung von Joachim eingebaut. Denn erst die Erinnerung ermöglicht, mit einem gewissen Großmut auch über dramatische Ereignisse zu berichten. Das gelingt auch diesem Film, in dem eine Familie langsam zerfällt, und sich dennoch die einzelnen Teile zu einem neuen Bild zusammenfügen. Laura Tonke und Devid Striesow haben daran wesentlichen Anteil.