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Karlheinz Pichler · 12. Apr 2016 · Ausstellung

Worüber man nicht reden kann, darüber muss man zeichnen - Egon Goldner im vorarlberg museum

Fast ein Vierteljahrhundert ist seit der letzten Ausstellung des Vorarlberger Zeichners Egon Goldner vergangen. Seither blieb es still um den Ausnahmekönner. Im Rahmen einer Kabinettausstellung holte das vorarlberg museum den heute in Wien lebenden und arbeitenden Künstler aus der Versenkung zurück und präsentiert ihn unter dem Titel „Zeitzeichen“ noch bis 1. Mai in einer großen Überblicksschau.

Ursprünglich hat der 1945 in Lustenau geborene Egon Goldner Gedichte geschrieben. Aber die Alltagssprache war ihm zu verbraucht und zu abgenutzt, um die Brutalität und Gemeinheit der Welt adäquat in Sprache umsetzen zu können. Daher hat der gelernte Buchdrucker zum Zeichenstift gegriffen.

In den 1970er-Jahren stellte er an so wichtigen Orten aus wie etwa dem Forum Stadtpark in Graz, der legendären Galerie Seebacher in Nüziders oder der renommierten Galerie Krinzinger, die damals noch in Bregenz residierte. Goldner hätte damals Karriere machen können. Aber so feinfühlig er im Zeichnen war, so rabiat war er im Umgang mit seiner Umwelt. Und er wollte sich nicht dem Kunstmarkt ausliefern.

Zuspruch von Handke


Im Jahre 1984 erhielt er eine persönlich verfasste Postkarte von Peter Handke zugeschickt. Darin attestiert ihm Österreichs vielleicht wichtigster Autor eine große Eigenständigkeit und spricht ihm Mut zum Weitermachen zu. Handkes Karte ist genauso wie andere Dokumente, die die Streitlust Goldners gegenüber Journalisten, Künstlerkollegen und der Öffentlichkeit belegen, in einer Vitrine in den Ausstellungsräumlichkeiten ausgelegt. Dem Zuspruch Handkes zum Trotz, tauchte der große Pessimist Anfang der 1990er-Jahre für viele Jahre unter und bereiste Indien, Nepal, Pakistan und andere asiatischen Länder. Zwar fertigte er dort einige Bundstiftarbeiten an, aber de facto verweigerte sich Goldner bis zum Frühjahr 2014 der künstlerischen Produktion. Seither ist er aber mit Tuschfeder und Zeichenpapier wieder voll in seinem Element.

Gesellschaftskritische Züge


Wie schon in den 1970er und 1980er-Jahren weisen auch die neuen Arbeiten Goldners große politische und sozialkritische Bezüge auf. Der Hörbranzer Maler Richard Bösch, der die Ausstellung im vorarlberg museum kuratiert, hat 40 frühe und neue Arbeiten, die sämtlich aus Privatbesitz stammen, ausgewählt und zu einer dichten Werkschau komprimiert. Die Präsentation der Werke Goldners, der seine Stimmungslandschaften in Tusche oder Stift Strich um Strich entwickelt und dessen Duktus einmal rund und fließend und an Höhenlinien erinnernd und dann wieder nervös und abgehackt wie Zerwürfnisse auf dem Papier daherkommt, folgt einem dualen didaktischen Prinzip. Denn Kurator Bösch stellt in einer komprimierten Auswahl die frühen Arbeiten an den umlaufenden Wänden aus, während das aktuelle Schaffen auf den eigens dafür entwickelten Stellwänden im Inneren des Ausstellungsraumes zur Schau gestellt wird. Die Entstehung und Weiterentwicklung der Goldner'schen Typologien könne so exemplarisch vor Augen geführt werden, betont Bösch. Er schätze die Radikalität und Sensibilität, die Goldner mit dem Zeichenstift oder der Tuschefeder an den Tag lege, das Authentische und Unabhängige, fern von jeglichem Akademismus, zollt er dem brillianten Zeichner seine Wertschätzung. „Ich habe es nicht ertragen, dass man ihn nicht wahrnimmt“, sagt Bösch, der sich maßgeblich dafür engagiert hat, dass diese Ausstellung zustande gekommen ist.

Die feinen Liniensysteme Goldners kontrastieren stark zu seiner fast brachialen sprachlichen Kritik an der von oberflächlichen Werten und politisch-gesellschafltlichen Verrohungen getriebenen Zeit. Die feinen geometrischen Systeme, Typenfolgen und erfundenen Zeichen, mit denen er die Arbeiten aufbaut, wirken wie ein geordnetes Gegenbild zu einer zusehends ins Absurde abgleitende Gesellschaft.

 

Egon Goldner: Zeitzeichen
vorarlberg museum, Bregenz
Bis 1.5.2016
Di-So 10-18, Do 10-20
www.vorarlbergmuseum.at