Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Peter Niedermair · 11. Apr 2016 · Ausstellung

„Quotenfrauen“ im Thurn und Taxis

Mit der Ausstellung „Quotenfrauen“ bringt die Kuratorin Maria Anwander vier Künstlerinnen nach Bregenz, die sich mit der Rolle der Künstlerin im Betriebssystem Kunst und den speziellen Herausforderungen die der Kunstmarkt unter dem Aspekt der Gleichberechtigung mit sich bringt, auseinandersetzen: Lenka Clayton, Marlene Haring, Annette Hollywood und Annika Ström. „Frau-Sein“ allein ist auch in der Kunst und Gender-Perspektive immer „noch kein Programm“ (Ingrid Strobl), dass Frauen und Männer jedoch gleiche Zugangschancen zu allen gesellschaftlichen Lebensbereichen haben müssen, sollte eigentlich außer Streit stehen, würde man meinen. Gender-Mainstreaming Maßnahmen im Kulturbereich sind seit 1999 EU-weit gültig.

Yoko Ono: „It’s time for action! (There’s no option)“


„Create the Change“, Beiträge zu Theorie & Praxis von Frauenförder- und Gleichbehandlungsmaßnahmen im Kulturbereich, erschien 2006 in Wien im Verlag Turia + Kant,  herausgegeben von der Geschäftsführerin des Kulturkreis Feldkirch / Theater am Saumarkt, Sabine Benzer. Die Publikation basiert auf einer zweijährigen Studie der IG Kultur Vorarlberg, die darauf abzielt, die Situation von Frauen im Kulturbereich zu beleuchten, die symbolischen Rahmenbedingungen zu bearbeiten, aber auch konkrete Vorschläge für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von kulturschaffenden Frauen zu entwickeln. Zum einen wurden zu diesem Zweck renommierte Kulturtheoretikerinnen eingeladen, die aus ihren jeweiligen - in Beziehung zum Kulturbereich stehenden Forschungsfeldern heraus - die aktuellen Diskurse präsentierten; zum anderen stellten Praktikerinnen ihre unterschiedlichen Modelle von Frauenförderung im Kulturbereich vor, um in der Folge konkrete Verbesserungsvorschläge machen zu können. Vor „Create the Change“ belegen schon „Die Hälfte des Himmels“ (Edith Almhofer) und das Mediacult Projekt „Frauen in Kunst-, Kultur und Medienberufen in Österreich“, wie prekär die Bedingungen für Frauen in diesem Feld sind.

Gut zehn Jahre später, „2016 - ein Jahr von dem viele noch vor ein paar Jahrzehnten dachten, dass sich die gänzliche Gleichstellung der Frau längst gesellschaftlich durchgesetzt haben muss, bietet leider immer noch genügend Raum zur Desillusionierung. In keinem Land Europas kann von einer vollkommenen Gleichberechtigung die Rede sein, Frauen verdienen für die gleiche Arbeit noch immer weniger und Österreich liegt bei der Lohndifferenz EU-weit sogar an zweitletzter Stelle. Führungspositionen sind extrem ungleich verteilt, nach wie vor übernehmen kaum Männer die Kinderbetreuung und noch immer gibt es Menschen, die in Karenz gehende Männer, als unmännlich bezeichnen. Dies alles bietet genug Anlass die Beschwerde gegenüber beharrlichen patriarchalen Strukturen erneut und forsch zu formulieren. Auch wenn das Ziel des Feminismus sein muss, sich irgendwann einmal selbst zu erübrigen, wird es dennoch lange dauern, dass auf Einforderung der Gleichstellung verzichtet werden kann.“ (Maria Anwander)

Seven women standing in the way

Am Eröffnungsabend erwartete die Besucherinnen und Besucher eine Performance von Annika Ström im unmittelbaren Eingangsbereich auf der Stiege zum Palais Thurn und Taxis. Diese repräsentieren den Platz der Frauen innerhalb – oder besser außerhalb – des Kunstbetriebs, sie blockieren den Weg in den Ausstellungsraum. Auf ihre Umgebung vergessend und mit sich selbst beschäftigt, spielen sie dasselbe Spiel, das die Kunstwelt üblicherweise mit ihnen spielt: Ignoranz gegenüber ihrem Werk und ihrem Platz in der Gesellschaft. Diese Eingangssituation zur Quotenfrauen Ausstellung erinnert entfernt an jene feministischen Aktionen in den 1980er-Jahren, als Frauen in weißen Gewändern und mit Rhythmusinstrumenten im Stile der Guggenmusiken am Eingang der Dornbirner Stadthalle in der Jahngasse 9 die Besucherinnen und Besucher des Misswahl Balls empfangen hatten und gelbe Zettel verteilten, auf denen zu lesen war: „Siamo tutte belle, siamo sorelle.“

Ist die erste Stiege mal geschafft, trifft man im Foyer auf eine weitere Ström‘sche Arbeit mit dem Titel this work refers to all male art; dieser Text soll zynisch auf die Kunstgeschichte und deren - meist männliche - Historiker, die Frauen beinahe systematisch aus der Geschichtsschreibung ausgelassen haben, verweisen. Wer jetzt nach dem Foyer eine verbissene Auseinandersetzung mit dem Thema Quotenfrauen erwartet, geht fehl. Clayton, Haring, Hollywood und Ström sind ganz und gar nicht verkrampft; vielmehr sind alle ihre Kunstwerke voller Esprit und Humor, sie sind leidenschaftlich, schräg und klug und haben eine ganz eigene, leichtfüßige künstlerische Sprache gefunden, um ein sie ständig begleitendes Thema darzustellen.

Reality Check


Annette Hollywood, um eine weitere Künstlerin zu nennen, geht mit ihrem „Reality Check“ statistisch analytisch an die Sache. Sie zeigt mit silbernen und goldenen Balken die Geschlechterverhältnisse in Ausstellungen und Kunstinstitutionen auf. Wen wundert’s, die Frauen sind unterrepräsentiert, die einzige Ausnahme bildet der Anteil bei den Studierenden an Kunsthochschulen aus dem Jahr 2004/2005. Maria Anwander, selbst Vorstandsmitglied der Berufsvereinigung bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs, konstatiert, auch die Berufsvereinigung sei noch weit von einer Geschlechtergerechtigkeit entfernt. Seit dem Jahr 2000 waren ca. 35 % Frauen und 65 % Männer in Ausstellungen vertreten. Bei einem Frauenanteil unter den Mitgliedern von 44 %, also fast der Hälfte, bedeute dies, dass die Chance im Künstlerhaus auszustellen für weibliche Mitglieder offensichtlich sehr viel geringer sei als für ihre männlichen Kollegen.

Noch im Erdgeschoss setzt Lenka Clayton mit ihren feinsinnigen Arbeiten fort. Sie erfand die Artist Residency in Motherhood, lukrierte dafür Gelder und finanzierte sich so einen Abschnitt ihres Lebens. Mit ihren Arbeiten gewährt sie sehr persönliche Einblicke in ihren Alltag als Künstlerin und junge Mutter, wie beispielsweise mit den Arbeiten All Scissors in the House Made Safer oder 63 Objects Taken from my Son’s Mouth. Diese Arbeit erscheint mir zwar nachvollziehbar, aber doch irgendwie ambivalent. Anstatt Kritik zu üben, wird hier aus der Not eine Tugend gemacht. Oder wie mit Annika Ström gesagt: This piece is made to support me. Denn wer, wenn nicht sie selbst soll die Künstlerinnnen auf dem harten Pflaster der Kunstwelt unterstützen? Den Abschluss der Ausstellung im ersten Stockwerk bildet eine Arbeit von Marlene Haring. Für Sie reiß ich mir den Arsch auf. Zu dem Bild, einer dreiteiligen Edition, für die sich Haring auf einen Kopierer setzte und das eigens für das Künstlerhaus großformatig reproduziert wurde, muss vorläufig nur so viel gesagt werden, das Foto hängt ohne Vorhängle.

„Art is a battlefield“ – Die Kunst als Schlachtfeld

Im Obergeschoss balkonseitig findet sich ein Auszug aus Annette Hollywoods The artsong collection, aus dem der oben genannte Titel eines umgestalteten Plattencovers stammt. Zum Abschluss nochmals Maria Anwander: „Dass die Kunst und die Menschen, die sich mit ihr befassen, generell aufgeschlossener und fortschrittlicher sind als der Rest der Bevölkerung, bleibt in vielerlei Hinsicht leider nur ein Klischee, genauso wie die oft beschworene Überwindung der Geschlechterdiskriminierung. Seit jeher dominieren Männer die Kunstwelt. Nach wie vor herrscht eine ungleiche Verteilung von Aufmerksamkeit, Erfolg und Ruhm – Künstlerinnen sind in den wichtigen Museen und Ausstellungen immer noch unterrepräsentiert. Einer Statistik der Guerilla Girls zufolge verdienen Frauen nicht nur 1/3 weniger als ihre männlichen Kollegen, sondern sogar 2/3 und wichtige Institutionen und Biennalen werden noch immer zum Großteil von Männern bespielt.“ Als in den 1980er-Jahren die Frauenstudiengruppe am Bregenzer Studienzentrum in der Belruptstraße über mehrere Jahre hinweg die „Dämlichen Studien über herrliche Verhältnisse“ mit einer Reihe hochkarätiger Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen in Bregenz und Dornbirn organisierten, mit übrigens großem Echo, hatte man/frau doch irgendwie die Hoffnung, dass sich die Verhältnisse (bald) ändern würden. Weit gefehlt. Die Ausstellung „Quotenfrauen“ geht dem Thema in einem neuerlichen Anlauf nach.  There’s still need for action!


Berufsvereinigung Bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs
Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis
Gallusstraße 10, 6900 Bregenz

Ausstellungsdauer: 9. 4. bis 8. 5. 2016
Di – Sa, 14-18
So / Ftg 11-17
www.kuenstlerhaus-bregenz.at