Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Karlheinz Pichler · 06. Nov 2013 · Ausstellung

Wenn das Dauerhafte zeitlich beschränkt ist – Christoph und Markus Getzner in der Feldkircher Galerie Feurstein

Unter dem merkwürdigen Titel „Zuerst die eigenen Ketten sprengen, dann Leidensgenossen befreien“ sind in der Feldkircher Galerie Feurstein derzeit neue Arbeiten der Gebrüder Christoph und Markus Getzner zu sehen. Sie setzen sich darin mit der Vergänglichkeit des irdischen Daseins und der Begrenztheit des Individuums auseinander und setzen einen starken Akzent auf das dreidimensionale Schaffen.

Ursprünglich hätte die neue Ausstellung der aus Bludenz stammenden Gebrüder Getzner den Titel „Den Käfig der Vorbehalte sprengen und in Richtung Erkenntnis segeln!“ auf sich tragen sollen. Der neue Titel, „Zuerst die eigenen Ketten sprengen, dann Leidensgenossen befreien“ gefiel ihnen aber besser. In beiden Möglichkeiten ist aber angedeutet,  worum es den Getzners geht: Zentraler Ausgangspunkt der Ereignisse in der Welt ist das Denken. Und zwar religionsneutral. Man soll zuerst mit sich selbst ins Reine kommen, sich läutern, sich von jeder ideologischen Fesselung befreien, erst dann kann man anderen mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Jeder Zerfall bedingt einen Neubeginn


Die Kunst der Getzners jedenfalls behandelt Dinge, die alle betreffen. Es geht um Gesetzmäßigkeiten, um die Ausdeutung von Erfahrungen,  aber auch um die Vergänglichkeit, den Zerfall. Wobei für die Getzners jede Zerstörung auch einen Neubeginn darstellt. In diesem Zusammenhang erscheinen auch die Bildtitel in einem besonderen Licht: „in einem fort geht dieses leben verloren“, „behausung fuer die kuerze des daseins“, „von der kürze der dauer“, „trennung dessen was zusammenkommt“.

Betritt man die Galerie, so blickt dem Besucher in der Zentralperspektive ein auf einem flachen Podest liegender Fisch mit geöffnetem Maul entgegen. Es handelt sich um einen Abguss eines Wasserspeiers vom Stephansdom, der nun, seiner Funktion enthoben, als Requisit der Vergänglichkeit dient. Auch Wasserspeier können ihrem Schicksal nicht entgehen. Von seiner Größe her scheint der Fisch schwer zu sein. Aber er ist im Gegenteil leicht. Denn er besteht aus Papiermasché,  so wie die meisten Figuren der Getzners. Die Künstler spielen mit der Physik. Alles was schwer erscheint, ist in Wirklichkeit leicht, und umgekehrt.

Entlang der Stellwände sind weitere skulpturale Arbeiten angeordnet. Präsentiert in Vitrinen oder auf einfachen, kistenförmigen „Sockeln“.

Eine graue Welt


Sowohl in den drei- wie auch in den zweidimensionalen Arbeiten der Getzners sind barocke Anklänge spürbar. Erkennbar werden diese im Rückgriff auf üppige Formen, in der Vermischung von sakralen und weltlichen Gegenständen, im Einbezug von Symbolen der Vergänglichkeit, - immer aber in Kombination mit Gegenständen aus der heutigen realen Welt. Auch die zeichnerische Konzentration auf die Umrisse und die Überzeichnung der figurativen Elemente in einem fast Comic-haften Stil verpasst den Arbeiten einen eigenwilligen, mitunter fast absurden Charakter. Eine ultimativ morbide, schräge und auch melancholische Wirkung erzielen die Getzners in den Zeichnungen und Malerein durch die Verwendung von China-Tusche und Eitempera in allen möglichen Grauschattierungen. Farben wie Rot oder Blau oder Grün sind nicht existent. Während „Weiß“ die Farbe des Lichts und damit die Summe aller Farben verkörpert, absorbiert „Schwarz“ alles Licht. „Schwarz“ ist ergo die Farbe des Nichts, des Ursprungs und des Endes. In diesem Spektrum zwischen Allem und Nichts spielt sich die „Bemalung“ der Getzners also ab. Sie korrespondiert „farblich“ respektive in ihrer „Nichtfarbigkeit“ direkt mit den skulpturalen Materialien Beton, Gips, Papiermasché.

Inhaltlich sind die Arbeiten der Getzners dialektisch aufgebaut. Weltliches steht neben Sakralem, Privates neben Öffentlichem, Apokalyptisches neben Hoffnungsvollem.

Schaulager


Parallel zur Ausstellung in den Galerieräumlichkeiten „bespielen“ Christoph und Markus Getzner auch das ganz in der Nähe in der Feldkircher Fußgängerzone gelegene Schaulager installativ.  Der ganze Schauraum ist mit großformatigen Zeichnungen der Künstler besetzt, inklusive dem Fußboden. In dieser Dichte wirken die grau-düsteren Szenarien der Getzners beklemmend, - aber vielleicht ist es auch nur die eigene Betroffenheit, die den Betrachter befällt.

Christoph Getzner, geboren 1960 in Feldkirch, absolvierte die Meisterklasse für Holz- und Steinbildhauerei in Graz und ist Mitglied der Dombauhütte zu St. Stephan in Wien. Markus Getzner, geboren 1965 in Bludenz, studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Wien zunächst Malerei bei Arnulf Rainer, dann Bildhauerei bei Bruno Gironcoli. Er lebt als Mönch im tibetisch-buddhistischen Kloster Rabten Choeling in Le Mont-Pèlerin in der Schweiz. Für ihre Ausstellungsprojekte kommen die Brüder jeweils für intensive Arbeitswochen in Wien zusammen und realisieren hier gemeinsam ihre geplanten Werke.

 

Christoph und Markus Getzner:
Zuerst die eigenen Ketten sprengen, dann Leidensgenossen befreien

Galerie Feurstein, Feldkirch
Bis 23.11.2013
Künstlergespräch in der Galerie: 22.11., 19-21 Uhr
Di bis Fr 13 - 17 Uhr
Samstag 11 - 15 Uhr
www.galeriefeurstein.at