Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Karlheinz Pichler · 28. Mär 2022 · Ausstellung

Vor und nach dem Krieg: Bilder im Dialog

Die Bludenzer Galerie allerArt präsentiert in ihrer zweiten Ausstellung im neuen Jahr unter dem Titel „before and after the war“ derzeit Fotografien des kosovarischen Künstlers und Fotoreporters Hazir Reka. Dabei werden jeweils zwei Fotografien desselben Motivs nebeneinander gezeigt. Die Aufnahmen stehen gleichsam für einen Vorher-Nachher-Dialog zur Balkankatastrophe mit dem Kosovo-Krieg als entscheidende Zäsur und Schnittstelle.

Der Fotograf Hazir Reka kam 1961 in der südkosovarischen Stadt Ferizaj zur Welt. Er lebte über 30 Jahre in Pristina, der Hauptstadt der Republik Kosovo, und hat hier während dieser Zeit praktisch alle Demonstrationen, Paraden, friedlichen Märsche, Jahrmärkte und das alltägliche Leben miterlebt und fotografisch festgehalten.
Der Kosovo-Krieg war relativ kurz. Er dauerte exakt vom 28. Februar 1998 bis zum 10. Juni 1999. Er stellt sozusagen die Scheidewand für das Davor und das Danach der Entstehungsgeschichte von Rekas Fotografien dar, die aktuell in Bludenz zu sehen sind.
Eines dieser „Doppelbilder“ dokumentiert etwa, wie der Kosovare Halim Rexha vom serbischen Militär 1999 auf einem Militärtransporter abgeführt wurde. Das Bild daneben zeigt ihn im Jahre 2021 mitten in einem Sonnenblumenfeld stehend und lachend. Konträrer könnten die Aufnahmen nicht sein.
Ein anderes Setting wiederum zeigt den Heimatvertriebenen Habib Zogaj, der 1989 in die Berisha-Berge flüchten muss. Seine wenigen Habseligkeiten sind auf einem Leiterwagen verstaut, der von einer Kuh gezogen wird. Das Bild daneben zieht den Bogen ins Jahr 2011. Hier sieht man Zogaj entspannt im Garten eines Hauses in Kishnareka sitzend und ein Buch lesend.

Andere Fotografien geben Einblicke in die Situation von Flüchtlingscamps oder improvisierte Schutzbunker. Dass sich die Leute bei allem Elend doch auch immer wieder selbst zu helfen wussten, belegt etwa auf schräge Art das Foto von Jahir Osmani, der in Ermangelung einer richtigen Türe einfach eine Autotür in sein Haus einmauert.
Hazir Reza startete seine Profi-Fotokarriere im Jahre 1984, als er ein Engagement beim „Bota e Re magazine“ erhielt. In der Folge wurden seine Aufnahmen in weiteren führenden jugoslawischen Zeitschriften, etwa in Mladina, Delo oder Star abgedruckt und ebenfalls in so prestigereichen westlichen Magazinen und Zeitungen wie der New York Times, der Washington Post, dem Wall Street Journal oder dem Time Magazine. Ab 1998 arbeitete er für die Nachrichtenagentur Reuters, wodurch seine Bilder auf der gesamten Welt verbreitet wurden. Auch im deutschsprachigen Raum, wo etwa die Neue Zürcher Zeitung, Die Presse, Der Spiegel oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung zu den Abnehmern von Reuters zählten. Reka dokumentierte den gesamten Kosovo-Konflikt und ebenfalls auch den Irak-Krieg.
In seiner Heimat ist Reka längst berühmt. Im Jahre 2014 erhielt er eine große Einzelausstellung in der Nationalgalerie des Kosovo. Außerdem zeigte er seine Arbeiten in Einzelschauen in Zagreb genauso wie etwa auch in Genf, im französischen Nevers, in Saudi Arabien oder in Barcelona. Auch in Vorarlberg waren einige seiner Werke schon zu sehen, als nämlich der in Bregenz, Zürich und Pristina lebende Künstler mit kosovarischen Wurzeln Rafet Jonuzi unter dem Titel „Balkandemocraci“ im Künstlerhaus Bregenz eine Gruppenausstellung mit neun künstlerischen Positionen aus dem Kosovo kuratierte, darunter eben auch Hazir Reka.

Unvermittelte Aktualität

Der Beitrag Rekas in Bregenz machte auf Kurator Manfred Egender einen nachhaltigen Eindruck. Er behielt den Fotografen seither permanent auf dem Radar und konnte ihn nun für diese Einzelausstellung in Bludenz gewinnen. Für Egender spiegeln sich in den Aufnahmen des Ausnahmefotografen subtile Zustandsberichte einer leidgeprüften Bevölkerung, ohne dass sie voyeuristisch wirken. Die Bilder seien nicht inszeniert, sondern beinharte fotografische Kommentare zu einer aggressiven, aus allen Fugen geratenen Welt. Reka nehme mit seinen Fotografien genau jenen Moment ins Visier, in welchem das historische Zeugnis von einem sämtliche Grenzen und Nationalitäten überwindenden Gefühl durchdrungen werde, der Humanität, betont Kurator Egender.
Im Hinblick auf die Vorgänge in der Ukraine berühren die Aufnahmen Rekas besonders stark. Wolfgang Maurer, Obmann des Vereins allerArt, wies bei der Eröffnung der Ausstellung auch darauf hin: „Als wir vor eineinhalb Jahren das Programm für 2022 festlegten, dachten wir, dass wir mit dieser Ausstellung einen Diskurs darüber anstoßen könnten, was man tun kann, damit die Wunden eines Krieges heilen können. Angesichts des brutalen Eroberungskriegs der russischen Steitkräfte in der Ukraine bekommt die Ausstellung von Hazir Reka eine beklemmende Aktualität.“     

Hazir Reka: Before and after the war
bis 16.4.2022
Mi - So/ Fe 15-18
Galerie allerArt, Bludenz

www.allerart-bludenz.at