Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Karlheinz Pichler · 31. Mär 2022 · Ausstellung

Mit genähten Linien Geschichten erzählen

Im Bregenzer „Kollektiv - Raum für Verwobenes" sind in der aktuell laufenden Ausstellung unter dem Titel „gesponnen, bemessen, beschnitten“ Arbeiten der 1979 in Wels geborenen und heute in Feldkirch lebenden und arbeitenden Textilkünstlerin Bianca Lugmayr zu sehen.

Das Schaffen Lugmayrs dreht sich grundsätzlich zumeist um die Befindlichkeit der Frau, um Weiblichkeit als unabdingbare Notwendigkeit in einer dual aufgebauten Welt oder um die Stellung der Frau in einer männerdominierten Gesellschaft. Mit Hilfe von Techniken wie Nähen oder Sticken, die ja typischerweise ebenfalls dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden, entwickelt sie poesievolle, lyrische Bildgeschichten rund um das Frau-Sein und das Recht der Frau auf ein selbstbestimmtes Leben. Angereichert und verdichtet werden die phantasievoll umgesetzten Themen und Motive durch Kolorierungen mit Textil-, Sprüh- und Aquarellfarben sowie unter Einbezug von Transferdrucktechniken. Eincollagierte Papier- und Textfragmente laden die Stücke zusätzlich inhaltlich auf.
Im Rahmen ihrer Schau im Kollektiv-Raum lenkt die Künstlerin aus der Montfortstadt den Blick auf sechs Vorarlberger Frauen, die der Kunstgeschichte des „Ländles“ im vorigen Jahrhundert markante Beiträge beigesteuert haben, aber von der Sichtbarkeit her immer unter ihrem Wert geschlagen wurden. Lugmayr hat die sechs herausragenden Vorarlbergerinnen des 20. Jahrhunderts, die allesamt bildnerisch tätig waren, zusammen mit der Kunsthistorikerin Cornelia Mathis-Rothmund vom Archiv des Vorarlberg Museums ausgesucht und ist mit ihnen in
einen Dialog getreten. Namentlich handelt es sich dabei um die Bildhauerin Anna Margaretha Schindler (1892-1929) sowie um die fünf Malerinnen Flora Bilgeri (1900-1985), Lisa Egger (1895-1983), Ilga Feuerstein (1897-1984), Louise Schwärzler (1907-2001) und um Paula Ludwig (1900-1974). Wobei letztere vor allem auch als Schriftstellerin bekannt geworden ist. Ganz persönlich und in der für sie typischen Werkmethodik setzt sich Lugmayr mit der Geschichte dieser Frauen auseinander: Leinen als Bildträger, eingebundene Papierelemente, Fotocollagen, Stickerei und Drucke, und vor allem die schnelle, frei genähte Linie als zentrales Setting ist es, was sich durch alle Arbeiten hindurchzieht.      

Fast „gestisch" genäht


Die Künstlerin will aber nicht nur Geschichten erzählen, sondern es ist ein wesentlicher Aspekt ihrer Werkmethodik, die Grenzen zwischen Malerei, Stickerei, Druck, Fotographie und der Arbeit mit Papier im Zusammenspiel von Dekonstruktion und Wiederaufbau zu vermischen und aufzuheben. Die frei genähte, fast gestisch gesetzte Linie bildet dabei zusätzlich einen Gegenpol zum strengen Perfektionismus. Das Unregelmäßige steht für individuelle und kreative Freiräume und Fehlertoleranz.
Bianca Lugmayr wird übrigens während der Ausstellungsdauer im Kollektiv Raum arbeiten und lädt dazu ein, ihr beim Entstehungsprozess der Werke über die Schulter zu schauen. Sie hat dafür eigens einen Arbeitsplatz mit Nähmaschine eingerichtet.
Und zur Finissage am 14. April (19.00 Uhr) sind Livemusik und -visuals angesagt. Alex Kranabetter kreiert mit seiner Trompete Musik zwischen freier Improvisation und elektroakustischer Klangkunst.

Bianca Lugmayr begleitet ihn mit der Nähmaschine – gleichsam eine Performance in Klang und Bild.

Bianca Lugmayr: „gesponnen, bemessen, beschnitten“
Bis 14.4.
Fr
16-19, Sa 10-13, oder per Anfrage  über hallo@kollektiv-raum.org
Kollektiv – Raum für Verwobenes, Bregenz

www.kollektiv-raum.org