Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Karlheinz Pichler · 29. Nov 2016 · Ausstellung

„Und dann macht es wumm!“ - Zeichnungen von Sabine Marte in der Bregenzer Galerie Lisi Hämmerle

Nach Jahren, in denen sie sich voll auf Video-Kunst und Perfomance konzentriert hatte, ist die aus Feldkirch stammende Multimedia-Künstlerin Sabine Marte wieder auf die Zeichnung gekommen. In der Bregenzer Galerie Lisi Hämmerle zeigt sie derzeit eine erlesene Auswahl aus Hunderten von Arbeiten, die in den letzten zwei Jahren entstanden sind.

Der Titel der Ausstellung - „No beach, just sand!“ - mag für eine Zeichnungsausstellung recht kryptisch anmuten. Sabine Marte sieht darin denn auch eher ein Sprachbild als eine Definition dessen, was sie in Bregenz zeigt. Dennoch, um einen Bogen zu ziehen: Wir alle haben schon in den Sand gezeichnet oder geschrieben, und die Wellen sind darüber geschwappt und haben Teile davon weggespült und nur Fragemente zurückgelassen. Genauso fragmenthaft und auf Andeutungen reduziert wirken auch Teile dieser Zeichnungen hier. Ins Deutsche übertragen, korrespondiert der Titel, also „kein Strand, nur Sand“, eher mit einer filmischen Geschichte, als dezidiert mit den Zeichnungen. Denn Marte hat auch einen Videofilm dieses Namens produziert, der einen Zustand der Auflösung beschreibt. Einen Zustand, in dem Begrifflichkeiten nicht mehr stimmig sind und die Sprache zerfällt. Marte setzt dafür eben die Metapher vom Bild eines Strandes ein, das buchstäblich zu Sand verfällt, und neu geschaffen werden kann, oder auch nur Sand bleiben kann, rohe Masse, wie sie selber sagt. Dieser Film, den sie als „depressiven Sciencefiction“ bezeichnet, ist noch nicht ganz fertig, soll aber noch im Verlaufe der Ausstellungszeit in der Galerie seine Premiere haben.

Es gibt kaum einen Kunstschaffenden, dessen Oeuvre ausschließlich auf der Zeichnung beruht. Andererseits gibt es auch so gut wie keine/n KünstlerIn, deren oder dessen Werk gänzlich ohne die Zeichnung auskommt. Da macht auch die Medienkünstlerin und Musikerin Sabine Marte keine Ausnahme. So wie bei ihren Videos, setzt sie sich auch in diesen Zeichnungen, an denen sie seit 2014 wie besessen arbeitet, mit Geste und Körper im Raum auseinander und stellt reflexive Befragungen dazu an. Oft sind es nur Körperfragmente, Gliedmaßen, angedeutete Gesten und Handlungen, die eingefroren scheinen, die sie mit Tusche zu Papier bringt. Situationen, gewohnte oder abrupte Bewegungen, die wir alle von uns selber kennen, werden momenthaft fixiert und erscheinen als reduzierte Linie auf dem Papier. Marte verwendet keine Vorlagen wie etwa Fotos, Magazinausschnitte oder Internet-Material, sondern sie zeichnet die Motive unmittelbar aus dem Kopf direkt auf den Bildträger. Und wie bei ihren Videos wird nichts korrigiert und nachbearbeitet. Es macht einfach „Wumm!“, so Marte, und die Zeichnung sitzt.

 

Mit dem Bildraum verschmelzen

 

Vielfach sind die dargestellten Körperteile nur mit wenigen Linien oder Strichen angerissen, scheinen aber imaginär weiter zu reichen und sich im Bildraum aufzulösen oder mit diesem zu verschmelzen. Oder es greifen zwei Hände ineinander. Da verdeckt nicht die eine Hand etwas von der anderen, sondern es wird die gesamte „Schnittmenge“ dargestellt. Es gibt kein Davor und kein Dahinter, sondern nur ein gleichberechtigtes Ineinander im Raum. In anderen Beispielen scheinen sich die Körperfragmente selbst zu umhüllen und sich zu geschlossenen Kreisläufen zusammenzufinden. Dann wieder umgreift ein Arm den anderen, und die Umrisslinie des einen Armes wird gleichzeitig auch zur Begrenzungslinie der Brüste. Hier kann es zu Kippeffekten kommen wie bei Rätselbildern. In vielen Darstellungen setzt sich Marte auch mit Geschlechtlichkeiten auseinander, teils als ironische Kommentare zur unbeholfenen Nacktheit, oder als spitzfindiges Spiel zwischen Ober- und Unterleib. Eine Figur kann auch lächerlich wirken, wenn sie etwa zeichnerisch in rüschchenhafte Klamotten verpackt wird. Oder ins Groteske abgleiten. Und immer wieder sind die Figuren von einer Offenheit geprägt, die an Gefässe erinnert, in die allerhand hineinfliegen kann.
Marte setzt die Zeichnungen mit sicherer Linie und wie aus einem Guss. Dennoch haftet den Körperlichkeiten mitunter auch eine gewisse Konstruktionshaftigkeit an. Wie sich ihre Linienspiele, die sich zwischen Figuration und Abstraktion, zwischen fester Notation und Auflösung, hin und her bewegen, und sich darüber hinaus auch direkt mit dem Raum verbünden können, demonstriert sie in der Galerie Lisi Hämmerle mit ihren Wandzeichnungen. Hier handelt es sich allerdings nicht um direkte „Wumm“zeichnungen, sondern um überdimensionale Übertragungen einer Auswahl kleiner Zeichnungen auf Papier auf die Galerienwände.
Dass Marte über allem auch noch eine gute Musikerin ist, bewies sie im Rahmen eines Konzertes, das sie anlässlich der Vernissage mit ihrer Band „Pendler“ gab. Wobei es sich eigentlich um eine multimediale Aufführung handelte, denn die Sound-Cluster wurden visuell von Zeichnungen, die per Video-Projektion an die Wand geworfen wurden, untermalt.

 

Sabine Marte: No beach, just sand

Galerie Lisi Hämmerle
Bis 17. Dezember
Mi-Fr 15-19, Sa 16-19
www.galerie-lisihaemmerle.at