Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Peter Niedermair · 14. Nov 2017 · Ausstellung

„Über-Brücken“ - Gemeinschaftsausstellung in der Galerie Art d’Oséra in Diepoldsau/CH

„Doosera“ nennt die Diepoldsauer Belegschaft des einstigen Arbeitgebers Sandherr Packungen seit jeher „ihre“ Fabrik, in der sie Dosen und Becher herstellten. Aus dem Dialektwort „Doosera“ entstand der Name der neuen Galerie, die Dauerausstellungen, Einzel- und Gruppenausstellungen mit Arbeiten von nationalen und internationalen Künstlern organisiert.

Finissage am 19. November 2017 um 11 Uhr

Dank der Initiative von Kuspi, freischaffender Künstler und Vorstandsmitglied der „Galerie Art Doséra“ (www.artdosera.ch), ist die Ausstellung noch bis 19. November 2017, Finissage 11 Uhr, in der Art dOséra in der Rheinstäpflistrasse in Diepoldsau-Schmitter zu sehen. Die Ausstellung „Über-Brücken – Kulturen begegnen sich“, die im vergangenen Sommer bereits in der Alten Fabrik in Rapperswil zu sehen war, zeigt Werke und Veranstaltungen von dort stattfindenden Projekten mit Flüchtlingen und Kunstschaffenden. In Rapperswil beteiligt waren auch zwei Künstler aus dem schweizerischen Rheintal, Kuspi und Margit Bartl. Das Projekt war ein Forum gelebter Begegnung und gegenseitigen Austausches zwischen Schweizern und Migranten. Die aus Rapperswil übernommene Ausstellung wird in Diepoldsau mit Regionalem ergänzt. In der Galerie Art dOséra wird eigentlich nahezu die gesamte Ausstellung gezeigt. Einige in Rapperswil teilnehmende Flüchtlinge konnten allerdings nicht nach Diepoldsau kommen, weshalb „die Ausstellung mit Arbeiten von Flüchtlingen aus der Region vervollständigt werden“ erläutert Kuspi. Seit Anfang September haben zwölf Flüchtlinge mit dem Bildhauer Jürg Jenny an ihren Skulpturen gearbeitet. Jenny bereitete einen über zwei Meter großen Styroporblock vor, der in ein Kunstwerk verwandelt wurde. Die Flüchtlinge wurden über das Solidaritätsnetz Rheintal gefunden, das vorwiegend Asylsuchende mit dem Status N (= ohne Entscheid) aufgenommen hat. Ein Projektteam konnte offensichtlich zwölf junge Männer aus einem Deutschkurs für die Teilnahme an der Ausstellung begeistern, berichtet die Kulturjournalistin Susi Miara im Rheintaler.

Die jetzige Ausstellung, ein Projekt mit Flüchtlingen, zeigt Arbeiten verschiedenster KünstlerInnen aus den Begegnungen der Kulturen. Teilnehmende: Marlies Achermann, Gerda Alder, Margreth Ammann, Franziska Annamalai, Margit Bartl-Frank, Jayn Erdmanski, Ursula Engler, Doris Fedrizzi, Ernesto Ghenzi, Adam Glinski, Christine Glinski, Ursula Häne, Chantal Hediger, Dusanka Jablanovic, Kurt Spirig KUSPI, Erna Lang, Sonja Lippuner, Aramis Navarro, Mirjam Rigamonti, Jacqueline Schmid, Solidaritätsnetz Rheintal – Jürg Jenny und junge Migranten aus Eritrea und Afghanistan, Andy Storchenegger, Tuija Toivanen, Claudia Valer, Verena Widrig.

Von Rapperswil nach Diepoldsau

Die Initiatorin des Rapperswiler Über-Brücken” Projekts Mirjam Rigamonti Largey schreibt über die Idee in ihrem Abschlussbericht zu Rapperswil: Aufgrund der starken Einwanderung von Menschen aus uns meist fremden Kulturen und dadurch erzeugter Ängste habe ich nach Möglichkeiten der Begegnung zwischen den Migranten und uns Einheimischen gesucht. Im kreativen, nonverbalen Austausch habe ich einen Weg für ein entspanntes gegenseitiges Kennenlernen gefunden, das allen Beteiligten Freude bereitet hat. Durch die Ausstellung der erarbeiteten Werke in der Alten Fabrik wurde ein zusätzlicher Raum für die Begegnung und den gegenseitigen Austausch zwischen Migranten, Kunstschaffenden und Einheimischen aus der ganzen Bevölkerungsschicht ermöglicht.“

Das Interesse einiger Flüchtlinge an diesem Projekt weiterarbeiten zu können, habe sie ermutigt, nach Wegen zu suchen, um es in irgendeiner Form weiterzuführen. Auffallend für die Situation sei, dass es zwar eine Reihe guter Angebote für Flüchtlinge gebe, diese jedoch wenig wahrgenommen werden. Fehlende Sprachfertigkeiten oder auch kulturell bedingte Gründe erschweren es manchen Migranten, an Projekten teilzunehmen. Eine Teilnahme an Integrationsprogrammen sei jedoch sehr wichtig, um die Lebensperspektiven auf eine solide Basis zu stellen. Daraus soll schließlich ein niederschwellig organisiertes Begegnungszentrum mit zentralen Angeboten entstehen. Von den Flüchtlingen und Einheimischen wurde der gegenseitige Wunsch nach Kontakten und Begegnungen artikuliert. Mit diesem Begegnungsraum soll die Möglichkeit geschaffen werden, sich auf unkonventionelle Art und künstlerisch-kreative Weise durch gemeinsam erlebte Tätigkeiten und durch eine Kommunikation, die nicht primär nur der Worte bedarf, zu verständigen. Damit sollen auf lange Sicht die Grundlagen für eine bessere Integration geschaffen werden, ein offenes Klima und „wohlwollendes Interesse“ etabliert werden, weil dies die Voraussetzungen schaffen könne, gegenseitig aufeinander zuzugehen.

Flüchtlinge und Einheimische begegnen einander im künstlerisch-kreative Austausch

Für die jetzige Ausstellung in der Art d’Osèra in Diepoldsau wurden Ideen besprochen und Pläne für verschiedene Projekte gemacht. Entstanden ist eine Moschee und ein Tisch mit zwei Stühlen. Der 16-jährige Tamim Arozo aus Afghanistan, berichtet Susi Miara, arbeitet mit drei Landsleuten an einer Moschee. „Ich habe bis jetzt in der Schweiz keine Moschee gesehen, deshalb machen wir eine aus Styropor“, sagt er. Mit Kunst habe er bis jetzt keine Erfahrungen, obwohl er eigentlich immer schon den Wunsch hatte, Schauspieler zu werden. Wenn die Kuppeln, das Minarett und die Moschee fertig sind, werden sie bunt angemalt. Robel Welday aus Eritrea wohnt im Asylwohnheim in Widnau. Er habe sich für das Projekt angemeldet, weil er sonst keine Beschäftigung hat und für ihn alles besser ist, als einfach nur herumzusitzen. Seine Gruppe hat bereits zwei Stühle und einen Tisch angefertigt. Danach wurde alles mit Gips gespachtelt und bemalt.

Die dOséra Galerie gleich über der Schweizer Grenze ist ein wichtiger Kunst- und Kulturvermittlungsort geworden. Margit Bartl-Frank, die drüben in Au lebende Künstlerin, ist eine Brückenbauerin, für die der grenzüberschreitende Austausch sowie die interkulturellen Begegnungen eine große Bedeutung haben. Es geht ihr darum, betont sie gegenüber der Zeitschrift Kultur, wie Begegnungen mit fremden Kulturen als Bereicherung und nicht als Bedrohung gestaltet werden können. Vom 6. bis 29. Oktober 2017 gab es in der Galerie dOséra die Ausstellung „Grenzwertig – art dOséra meets Kunst Vorarlberg“, bei der 24 Künstlerinnen und Künstler aus Vorarlberg in Diepoldsau zu sehen waren. Diese grenzüberschreitende Einladung jenseits des Rheins sollte dazu beitragen, Grenzen zu überwinden – zumindest im Kopf. „Grenzwertig“ – aus der Sicht des Kuratierens war in einer Grauzone angesiedelt, eigentlich fast schon eine Grenzüberschreitung. Man weiß aus mittlerweile jahrzehntelanger Erfahrung, dass die Kommunikation zwischen hüben und drüben des Rheins bei den künstlerischen Anlässen in der Regel recht gut funktioniert.

 

 

Über-Brücken. Begegnung der Kulturen-Ausstellung

Verein Art d’Oséra, Rheinstrasse 6, 1. Stock
Eingang hinten Rheinstäpflistrasse, Diepoldsau, artdosera.ch
Finissage:
19. Nov. 2017, 11 Uhr
Öffnungszeiten: Samstags: 16 – 20 Uhr, Sonntags: 11 – 16 Uhr
Oder nach telefonischer Vereinbarung: +41 (0)79 228 96 79 (KUSPI)