Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Karlheinz Pichler · 22. Nov 2017 · Ausstellung

Der Kunstraum Dornbirn setzt im nächsten Programmjahr auf Diversität

Der Kunstraum Dornbirn gibt im kommenden Jahr Einblicke in das Schaffen der iranischen Videokünstlerin Shirin Neshat, des an der Schnittstelle zwischen Kunst, angewandter Wissenschaft und praktischer Philosophie arbeitenden Tiroler Künstlers Thomas Feuerstein, sowie des für seine monumentalen Keramikarbeiten bekannten Elmar Trenkwalder, der ebenfalls aus dem Tirol stammt. Im Rahmen der vierten Ausstellung beteiligt sich der Kunstraum als erste Vorarlberger Kunsteinrichtung am „Heimspiel“, das im Dreijahresrhythmus eine Momentaufnahme der Kunstszenen in der Ostschweiz, Liechtenstein und Vorarlberg abbildet.

In den letzten drei Jahren verzeichnete der Kunstraum Dornbirn einen markanten Besucherzuwachs. Betrug die Besucherzahl 2015 noch bei 11.230, so stieg sie 2016 auf 17.879. In diesem Jahr hält der Kunstraum, der die unvergleichliche Montagehalle neben der Inatura bespielt, mit Stand vom 21.11. bereits bei 25.899 Besuchern. Und das Jahr ist noch längst nicht zu Ende. Am 14.12. startet mit „Eine Biologie des Glücks“ erst die vierte Ausstellung des Jahres. Mit Aljoscha ist ein ukrainischer Bildhauer und Maler angesagt, der für konzeptionelle Installationen und Skulpturen basierend auf Ideen des Bioismus, des Biofuturismus und des bioethischen Abolitionismus bekannt ist. Mit international bekannten Vertretern aus den Bereichen Video, Installation und Keramikskulptur sowie der Beteiligung am „Heimspiel“ wollen die Verantwortlichen des Kunstraums Dornbirn 2018 an diese Erfolgsbilanz anknüpfen.

Vermittlerin zwischen Orient und Okzident 



Die Auftaktausstellung im neuen Jahr (22.3.-20.5.2018) ist der 1957 als Tochter eines Arztes im Iran geborenen Künstlerin Shirin Neshat gewidmet. Unter dem Titel „Illusions&Mirrors/Roja/Sarah“ präsentiert der Kunstraum drei Videoarbeiten aus ihrer aktuellen Werkreihe, die auch an der Biennale von Venedig gezeigt wurden. Die heute in New York lebende, international renommierte Künstlerin beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der gesellschaftlichen und politischen Situation ihrer Heimat mit besonderem Blick auf die Stellung der Frau in islamischen Gesellschaften. Parallel thematisiert sie die Widersprüche und Spannungen zwischen Orient und Okzident und setzt sich dabei mit Zensur, Gewalt, Krieg und Unterdrückung auseinander. Von der Fotografie kommend widmet sie sich seit Mitte der 1990er-Jahre der Filmkunst. Ihr zweiter Spielfilm „Looking for Oum Kulthum“ wurde dieses Jahr auch zu den 74. Filmfestspielen von Venedig in die Sektion „Giornate degli Autori“ eingeladen. Neshat sagt selber über ihre Arbeit: „Ich komme aus einer Welt, die in jeder Hinsicht einen extremen Gegenpol zur westlichen Welt bildet und derzeit die größte Bedrohung für die westliche Zivilisation darstellt ... Die Herausforderung besteht für mich darin, zwischen diesen Kulturen, dem 'Orient' und dem 'Okzident', zu vermitteln.“ International große Beachtung fand in diesem Jahr auch Neshats Inszenierung der Giuseppe-Verdi-Oper „Aida“ in Salzburg.

An der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Philosophie

Die Sommerausstellung, die am 6. Juni eröffnet wird, bestreitet der 1968 in Innsbruck geborene Konzept- und Medienkünstler, Kunsttheoretiker und Autor Thomas Feuerstein. Sein Projekt „Prometheus Delivered“ ist gemäß Mitteilung eine Kooperation zwischen dem Haus am Lützowplatz Berlin, der Eres-Stiftung München sowie dem Kunstraum Dornbirn. Feuerstein ist Anfang der 1990er-Jahre mit angewandten Untersuchungen und ironischen Kommentaren zur Netzkultur bekannt geworden. Von 1992 bis 1994 gab er beispielsweise gemeinsam mit Klaus Strickner die Zeitschrift „Medien.Kunst.Passagen“ heraus. In den vergangenen Jahren setzte sich der heute in Wien ansässige Künstler im Rahmen seiner Installationen und „molekularen Skulpturen“ mit chemischen und biologischen Prozessen auseinander, die als Sinnbilder für soziale und psychische Bewusstseinszustände stehen. Feuerstein nimmt mit alchemistisch anmutenden, laborähnlichen Einrichtungen Bezug auf aktuelle gesellschaftspolitische Themen wie die Auswirkungen von Biopolitik auf das Individuum, die Lösung globaler Ernährungsprobleme oder soziale Entgrenzung. Mit seinen Versuchsanordnungen bewegt er sich an der Schnittstelle zwischen künstlerischer Ausdrucksmöglichkeit, angewandter Wissenschaft und praktischer Philosophie. Das Projekt „Prometheus Delivered“ ist eine raumgreifende Laborinstallation, in welcher ein komplexer Transformationsprozess anorganische Materie in organisches Gewebe verwandelt. Die Prometheus Legende wird in einem künstlerisch wissenschaftlichen Experiment erlebbar. Mit „Sternenrotz“ installierte er zu Beginn dieses Jahres bereits eine ähnliche Arbeit in der Galerie allerArt in der Remise Bludenz.

Keramikskulpturen im Stile von Rokoko, Tempel und Science-Fiction



Im Herbst (13.9.-2.12.2018) bringt der Kunstraum den 1959 in Weissenbach am Lech geborenen Künstler Elmar Trenkwalder nach Dornbirn. Stets von strenger struktureller Symmetrie, irritieren Trenkwalders Werke nicht nur durch ihre Fülle an kleinteiligen Details, sondern auch durch ihre Vieldeutigkeit. Formale Assoziationen sprechen von der Verwandtschaft zur Art Brut, zum Manierismus und Rokoko oder auch zum Jugendstil, während die glasierten Keramikarchitekturen auch an Hindu- oder Khmertempel und andere himmelwärts strebende Anlagen erinnern wie auch an Gebilde aus Science-Fiction oder Fantasywelten, ohne freilich ausdrücklichen Bezug zu nehmen. Von der Größendimension her sind seinen monumentalen Keramikskulpturen nur duch die statischen Eigenschaften des ungebrannten Materials Grenzen gesetzt. Häufig verschmelzen die architektonischen Gebilde Trenkwalders mit biomorphen Formen aus der Natur, in denen vegetabile Wucherungen und muschelförmige Versatzstücke wie auch ins Groteske verzerrte menschliche Körperfragmente vorkommen. Im Rahmen seiner Ausstellung im Kunstraum werde Trenkwalder die bisher größte Keramikskulptur innerhalb seines Gesamtwerkes zeigen, verspricht Thomas Häusle, Leiter des Kunstraums Dornbirn.

Ursprünglich hat sich das alle drei Jahre organisierte „Heimspiel“ auf das Ostschweizer Kunstschaffen konzentriert. In den letzten Jahren haben sich grenzüberschreitend auch Liechtenstein und Vorarlberg diesem Projekt angeschlossen, das immer eine aktuelle Momentaufnahme des Kunstschaffens in den jeweiligen Regionen bietet. Im nächsten Jahr ist es wieder soweit: Professionell arbeitende Künstler aus den Schweizer Kantonen St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, Thurgau, Glarus, dem Fürstentum Liechtenstein und Vorarlberg reichen wieder Werke ein, die von einer international besetzen Jury begutachtet und ausgewählt werden. Die ausgewählten Arbeiten werden anschließend im Kunstmuseum St. Gallen, in der Kunsthalle St.Gallen, dem Kunstmuseum Appenzell und – erstmals in Vorarlberg – im Kunstraum Dornbirn präsentiert.

Kooperationen

Auf die Frage von KULTUR, ob der Kunstraum angesichts des Programms verstärkt auf Kooperationen setzen wolle, entgegnet Kunstraum-Sprecherin Herta Pümpel, dass es keine Kooperationen im üblichen Sinne seien, sondern sie sich vielmehr im Laufe der Vorbereitungsarbeiten ergeben hätten. Sie seien nicht von vornherein angestrebt worden. Pümpel: „Bei der Feuerstein Ausstellung ist es so, dass das Projekt 'Prometheus Delivered' in der ersten Fassung im Haus am Lützowplatz Berlin, dann in der Eres-Stiftung München gezeigt wird und bei uns im Sommer 2018 für den Kunstraum Dornbirn adaptiert wird, d.h. es wird auf unseren speziellen Ort wesentlich erweitert und ergänzt. Es freut uns natürlich, wenn Ausstellungsprojekte an verschiedenen Orten präsentiert werden, das ist ja auch Ausdruck der Wertschätzung und Qualität. Beim 'Heimspiel' ist es so, dass wir angefragt wurden und natürlich sehr gerne bereit sind, als 'Spielort' an dieser Momentaufnahme des künstlerischen Schaffens in unserer Region mitzumachen.