Die Wahrnehmung entschleunigen – Radierungen von Günter Egger im Appenzeller Kunstraum „Untere Falkenburg"
Im Tanzsaal der „Unteren Falkenburg" in Appenzell, einem Ort für Kunst, der von der Vorarlberger Silberstiftzeichnerin Sabine Luger geleitet wird, sind derzeit unter dem Titel „Schreiender Papagei" Radierungen des aus Kärnten stammenden Künstlers Günter Egger zu sehen.
Der Tanzsaal in der „Unteren Falkenburg“ in Appenzell, den die dort lebende und arbeitende Vorarlberger Künstlerin Sabine Luger in einen Kunstraum verwandelt hat, erinnert an die Intimität eines Kabinettraumes. Wie dafür zugeschnitten wirken die in altmeisterlicher Manier gefertigten Radierungen des aus Kärnten stammenden Künstlers Günter Egger, die jetzt dort ausgestellt sind. Die Schau gibt einen Querschnitt über Eggers druckgrafisches Schaffen der letzten 25 Jahre.
Zu sehen sind unter anderem fünf Radierungen, für die Egger, der bereits auch in der Bregenzer Galerie Ardizon und der Feldkircher Galerie Schiestl ausgestellt hat, als es diese noch gab, Tierdarstellungen aus „Gesners Thierbuch“ als Vorlage genommen hat. Conradus Gesnerus (1516-1565) war ein Zürcher Arzt, Naturforscher und Altphilologe. Er gilt als einer der berühmtesten und wichtigsten Naturforscher und Gelehrten der Schweiz. Seine Bedeutung beruht unter anderem darauf, dass er sich nicht mehr auf die tradierten Erkenntnisse der Antike und des Mittelalters verließ, sondern seine eigenen Naturbeobachtungen höher wertete. Die Qualität der Darstellungen in seinen Veröffentlichungen unterschied ihn von denen seiner Fachkollegen, da er wegen seines überdurchschnittlichen Zeichentalents nicht darauf angewiesen war, professionelle Künstler für seine Buchillustrationen heranzuziehen. Trotzdem weichen seine Darstellungen mitunter kurios von der Wirklichkeit ab. Der Kopf eines Eichhörnchens etwa ähnelt stark der Physiognomie eines Teufels. Ein Stachelschwein wiederum hat fast menschenähnliche Gesichtszüge. Gesnerus versuchte hier, die reale Welt mit mystischen Vorstellungen in Einklang zu bringen.
Darstellungen mit Widerhaken
Egger übernimmt solche Vorlagen natürlich nicht eins zu eins, sondern verfremdet sie. So verknüpft er beispielsweise die Zeichnung des Stachelschweins mit der Darstellung eines Rabens. Erst auf den zweiten Blick werden solche Täuschungen für den Betrachter wahrnehmbar. Egger erzwingt ein genaues Hinsehen.
Die meisten präsentierten Werke entstammen seinem Zyklus „Aus der Zeitung“. Bilder aus schnelllebigen Printmedien entreißt Egger dem Vergessen, indem er sie isoliert und als Radierungen langfristig „speichert“. Es sind Tierabbildungen genauso darunter wie eine Planierraupe auf der Müllkippe, verschleierte Araberinnen oder Panzer, die sich in linearen Kolonnen durch die Wüste wälzen. Es sind keine Idyllen, wie mitunter auf den ersten Blick suggeriert, sondern Darstellungen mit Widerhaken.
Egger trägt Asphaltlack auf Kupferplatten auf, ritzt mit der Radiernadel die Zeichnungen hinein und lässt die Salpetersäure das Ergebnis herausfressen. Er ist ein Radierer in Perfektion. Die Technik über Jahre, ja Jahrzehnte geschult. Häufig verwendet er schon gebrauchte Platten mit entsprechenden Kratzern und Ätzspuren. Solche "Sedimentationen" verleihen den Werken eine zusätzliche "Tiefenschärfe".
Egger zeigt seine „Chronik des Alltäglichen“ kleinformatig auf edlen Bütten- und anderen Papieren. Es gelingt ihm, einer vom Konsum beschleunigten Welt Bilder des Augenblicks zu entreißen und dem Gedächtnis einzubrennen.
„Schreiender Papagei"
Radierungen von Günter Egger
Tanzsaal, Untere Falkenburg, Appenzell
Bis 13. März 2013
Infos: 0041-71-7874445