Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Karlheinz Pichler · 28. Jun 2018 · Ausstellung

Schicht über Schicht über Schicht - Suzana Brborović und Peter Cvik in der Feldircher Galerie Sechzig

Unter dem Titel "Multi-layered. Encounter in Leipzig" geben die Junggaleristen Leonie Hirn und Calvin Mechora in Zusammenarbeit mit dem Kunst Palais Liechtenstein derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirich einen repräsentativen Einblick in das aktuelle Schaffen von Suzana Brborović und Peter Cvik.

Brborović und Cvik stellen erstmals gemeinsam aus. Sie arbeiten inhaltlich und methodisch sehr unterschiedlich. Zentraler Ausgangspunkt bei der 1988 im slowenischen Kranj geborenen Brborović ist die Architektur, während die Werke des 1985 in Bratislava (Slowakei) geborenen Cvik von persönlichen Erinnerungen und der Auseinandersetzung mit dem Einfluss digitaler Medien auf die menschliche Wahrnehmung geprägt sind. Ein möglicher gemeinsamer Nenner könnte darin gesehen werden, dass die Werke beider von der Überlagerung vieler Schichten geprägt sind. Außerdem leben und arbeiten aktuell beide in Leipzig, daher auch der Untertitel der Ausstellung „Encounter in Leipzig“ (Begegnung in Leipzig).

Architektur als Metapher

Fotografie, Computer, Leinwand und Farbe sind die wichtigsten instrumentalen Ingredienzien im Vorgehen Brborovićs. In der Regel geht die Künstlerin von abstrakten Kompositionen und Liniengefügen aus, die sie auf dem Bildträger anlegt und mit wässrigen, fleckenartigen Farbzonen überlagert. Auf diese Grundtexturen projiziert und überträgt sie schichtweise fotografische Vorlagen von Gebäuden und sonstigen architektonischen Konstruktionen. Die Fotos hat sie entweder selbst gemacht oder aus dem Internet heruntergeladen. Bevor die Bilder auf die Leinwand übertragen werden, werden sie am Computer collagenartig miteinander verwoben.

Bei der Architektur, die Brborović auf diese Weise ins Bild holt, geht es nicht um die Untersuchung von Strukturen oder architektonischen Konstruktionsmöglichkeiten, sondern um die inhaltliche Aufladung und die ideellen Verflechtungen, die für bestimmte Bauten charakteristisch sind. So thematisiert sie etwa die Plattenbauten der ehemaligen DDR, Flaktürme aus der Nazi-Zeit oder leerstehend Fabriksgebäude, von denen es in Ostdeutschland unzählige gibt. An solchen Architekturen sind Ideologien, Visionen und Utopien ablesbar.

Die in Slowenien aufgewachsene Künstlerin bewegt sich mit ihrer Art des Arbeitens bewusst im Spannungsfeld zwischen Malerei und Grafik sowie zwischen Gegenstand und Abstraktion. Wobei die Kompositionslinien ein wichtiges Element in der formalen Bildgestaltung verkörpern. Co-Kurator Calvin Mechora bei der Vernissagerede: „Durch die überlegte, an die jeweilige Serie angepasste Farbwahl kann beim Betrachter ein von Brborović beeinflusstes Irritationsgefühl entstehen. So scheint es beispielsweise ungewöhnlich, massive Betonbunker vor einem rosaroten Hintergrund wahrzunehmen. Andererseits wird dadurch ein harmonischer Ausgleich erzeugt. Denn der wehrhafte Verteidigungscharakter der nationalsozialistischen Gebilde wird durch ein Gefühl von Leichtigkeit 'entbrutalisiert'. Durch das Zusammentreffen von weichen Farben und harten Formen reißt Brborović den dargestellten Gegenstand aus seinem eigentlichen Zusammenhang heraus und entkontextualisiert ihn. Demgemäß können die geschichtsträchtigen Betonbauten auf den einen oder anderen Bildträgern sogar als niedlich oder harmlos empfunden werden.“ Letzlich handelt es sich bei den Gemälden der Slowenin auch gleichermaßen um die Dekonstruktion sowie Rekonstruktion von Raum- und Zeitgefügen.

Neue Realitäten erfinden

Eine leere Leinwand sowie abstrakt-atmosphärisches Malen markieren üblicherweise den Ausgangspunkt der Arbeiten von Peter Cvik. Mit Hilfe eines computerbasierten Bildbearbeitungsprogrammes oder altmeisterlichen Skizzierungstechniken „dekonstruiert“ er die ursprünglichen Bildinhalte und entwickelt Schritt für Schritt und Schicht für Schicht „neue Realitäten“ mit ganz eigener Logik. Auf diese Art „verweise ich auf den manipulativen Charakter von Medien und deren Auswirkung auf unsere Wahrnehmung der 'digitalen' Realität. Ihrem Einfluss sind wir das ganze Leben lang ausgesetzt,“ konstatiert der Künstler.

Cvik liefert dem Betrachter mit Bildtiteln wie etwa „There is no Hill in Leipzig“, „Sunset along River“, „Most beautiful Parking Space“ oder „Missing My Mountains“ zwar Hinweise auf behandelte Themen und evoziert mit vereinzelten Bildmotiven auch bestimmte Assoziationen, doch lässt er trotz aller Andeutungen genug Spielraum für individuelle Deutungen und dazugehöriges Empfinden. „Cvik lässt den Betrachtenden in einem offenen, unbestimmten, nahezu verschwommenen Raum zurück. Seine Malerei scheint uns etwas Undefinierbares, gar Unaussprechbares verstehen zu lassen,“ sagt Kurator Mechora. In der in Leipzig geschaffenen Werkserie „Stories of Leipzig“, aus der einige Beispiele nun in Feldkirch zu sehen sind, setzt sich der Slovake mit Erlebtem, Gesehenem, Assoziiertem und Sehnsüchten auseinander. Zudem geht er darin fundamentalen Fragen nach, wie etwa was denn eine Gemälde heute sei, was es auszeichnet und wodurch ein Werk überhaupt erst zu einem Gemälde werde. Mechora: „Durch die augenscheinliche Vielschichtigkeit, welche durch das Übereinanderschichten und das experimentelle Spiel mit verschiedenen Materialien erzeugt wird, schafft er je nach Blickwinkel und Distanz neue Perspektiven. Die dahintersteckende Intention war es, die einzelnen Bildschichten voneinander zu trennen, divergierende Blickwinkel zu schaffen und das Gemälde physisch nach außen zu öffnen.“ Durch den Einbezug und die Verarbeitung von anderen Materialien wie etwa Mappen und Netzen, erhalten die Exponate von Cvik zudem auch eine überaus plastische Qualität.

Suzana Brborovic und Peter Cvik: "Multi-Layered. Encounter in Leipzig"
Galerie 60, Feldkirch (in Kooperation mit Kunst Palais Liechtenstein)
bis 27.7.2018
Do und Fr 16 - 19 und nach.tel. Vereinbarung: 05522 304 1271
Mail: galeriesechzig@gmx.com