„Memory“ - neu in den Vorarlberger Kinos (Foto: Teorema)
Karlheinz Pichler · 27. Nov 2014 · Ausstellung

Reliefreduktiv - QuadrART Dornbirn zeigt Reliefs aus dem Blickwinkel der ungegenständlichen Kunst

Im Ausstellungstitel „reliefreduktiv 3“ ist angedeutet, worum es bei den „Ansichten XXI“ im QuadrART Dornbirn inhaltlich geht, nämlich um das „reduktive Relief“, die Fokussierung auf die Kunstgattung des Reliefs aus dem Blickwinkel der nichtgegenständlichen Kunst.

Nachdem Uta Belina Waeger und Erhard Witzel, die in Dornbirn den Kunstraum QuadrART nach einem Kuratorenkonzept betreiben, für die Jubiläumsausstellung "Ansichten XX" mit Edgar Leissing erstmals einen Künstler als Kurator einluden, so doppeln die beiden nun nach. Mit dem 1950 in Sprendlingen in Rheinhessen geborenen Edgar Diehl, in dessen Biografie der merkwürdige Eintrag zu finden ist, dass er bereits mit zwei Jahren angefangen habe zu malen, tritt für die "Ansichten XXI" erneut eine Künstlerpersönlichkeit als kuratorischer Verantwortlicher in Aktion. Diehl geht, anders als Leissing, aber nicht von einer eigenen Arbeit aus, sondern wählte aus der QuadrART-Sammlung ein Werk von Heiner Thiel aus, das er in einen Kontext zu den Positionen von Andrew Leslie, Andreas Kocks, Vesna Kovacic, Gert Riel, Jan Maarten Voskuil sowie ihm selbst setzt.

Historische Lücke


Wie Künstler-Kurator Diehl recherchiert hat, hat es seit dem Jahre 1981 keine Ausstellung mit Publikation mehr zu diesem Thema gegeben. Diehl ortete also eine historische Lücke und hat einen mehrteiligen Ausstellungszyklus konzipiert, um dieses "Leck" zu schließen. Die erste "reliefreduktiv"-Präsentation fand 2012 im Künstlerverein Walkmühle in Wiesbaden statt, die zweite ging kürzlich im Kunstverein Speyer zu Ende. Dornbirn ist nun die dritte Station. Im nächsten Jahr sind noch weitere "reliefreduktiv"-Ausstellungen in Aschaffenburg, Nürnberg und im australischen Sidney geplant.

Nach Ansicht von Diehl hat die konkrete, auch konstruktivistisch und reduktiv genannte Kunst in den letzten Jahren, besonders in Süddeutschland, in Westösterreich und der Ostschweiz, einen markanten Aufschwung erlebt. Diesem Trend entsprechend zeigt er in Dornbirn frische und zugleich ausgearbeitete künstlerische Positionen, die ganz im Zeichen der aktuellen Strömungen und jungen Entwicklungen stehen. Diehl: "Die künstlerischen Positionen der Ausstellung sind so ausgewählt, dass sie eigenständige Auffassungen vorstellen und für viele Betrachter neue Perspektiven aufzeigen. Rund ein Drittel der Beteiligten gehören zu den Klassikern der Konkreten Kunst und markieren die Standpunkte der Tradition. Die jüngeren Künstler zeigen die Arbeit einer Generation, die sich ihrer Basis bewusst ist, aber die formalen und inhaltlichen Grenzen der Vorgänger überschreitet." Seiner Ansicht nach erfordert die in der bildenden Kunst seltener bearbeitete Gattung des Reliefs ein besonderes Augenmerk, da es zweite und dritte Dimension verbinde und sich daher besonders für Ansätze eigne, die mit der menschlichen Wahrnehmung arbeiten. Nochmals Diehl: "Da Relief und Farbe in unser aller Lebenswelt stetig vorhanden sind und unsere Umwelt täglich prägen, öffnet der Blick auf die Konzentration dessen in der Konkreten Kunst andere Sichtweisen. Die speziellen Farbwirkungen auf den Menschen sind dabei ebenso von Bedeutung wie die plastischen Öffnungen in den Raum und deren Schattierungen."

Farbe und Raum


Das Charakteristische an Diehls eigener Arbeit ist, wie die Beispiele in der QuadrART-Ausstellung belegen, dass es bei seinen Farbreliefs keinen Unterschied mehr gibt zwischen einem materiellen Bildträger und darauf montierten Gegenständen oder Materialien. Er konstruiert also seine Reliefs nicht, sondern ein flacher Bildträger wird durch Knicken selbst zu einer reliefartigen Oberfläche, zu einer flachen Wandskulptur. Der andere zentrale Aspekt ist die Farbe. Diehl setzt sich auf wissenschaftliche Weise mit dem Phänomen "Farbe" auseinander. Er hat sogar einen sozialgeschichtlichen Diskurs über die Farbe verfasst, der vor Augen führt, durch welche soziokulturellen Phasen unsere Gesellschaft seit dem Zweiten Weltkrieg gegangen ist, indem er die dominierenden Farben der Dekaden einer farbpsychologischen Betrachtung unterzieht.

Eine Arbeit, deren Erfahrbarkeit sich je nach Standort verändert, ist vom Australier Andrew Leslie zu sehen. Leslie bestückt eine Wand mit Aluminiumschienen, die im Abstand von etwa zehn Zentimetern montiert sind und auf der Vorderseite eloxiert wurden, während sie auf der Rückseite zwei Farben aufweisen, die je nach Position einen Schriftzug an die Wand spiegeln. So ist dort "at" zu lesen, was als das hinweisende Fürwort "bei" auf Englisch, oder aber auch als das  "at" gesprochene Klammeräffchen bei E-Mail-Adressen interpretiert werden könnte.

Auf wenige Farben konzentriert sich der Holländer Jan Maarten Voskuil. Obwohl sich der 1964 in Arnheim geborene Künstler als Maler bezeichnet, könnte man ihn auch als Bildhauer oder Architekt einordnen, da er räumliche Gemälde "konstruiert". Er verwendet komplizierte geometrische Rahmengestelle wie etwa halbe Würfel, die mit bemalter Leinwand überspannt werden und sich zu kubischen Formen mit gebogenen und zurückgestellten Oberflächen entwickeln.

Die Arbeiten von Andreas Kocks sind zumeist in Weiß oder Schwarz gehalten. Der 1960 in Oberhausen geborene Künstler nimmt in seinen Arbeiten direkten Bezug auf den Raum. Die mechanische Entstehung seiner Papierarbeiten erklärt Kocks: "Ich schneide erst mit unterschiedlichen Klingen und Skalpellen ins Papier und schwärze es hinterher mit Graphit. Das verleiht dem Papier metallischen Glanz und zusätzliche Dichte. Tiefe, Plastizität, Licht und Schatten kommen so noch stärker zur Wirkung und die Energie der Bewegung wird noch deutlicher."

Vesna Kovacic hat zum Thema des Reliefs in der gegenstandsfreien Kunst einen sehr einprägsamen und bedeutungsvollen Beitrag entwickelt. Um die Dimensionen der Reliefs der slowenischen Künstlerin vollständig zu erfassen, ist der Betrachter dazu aufgefordert, sich zu bewegen, vor und zurück, parallel zum Bild und im Halbkreis herum. Nur so kann man verfolgen, wie sich das, was anfangs ein vertikaler Strich von gleicher Breite war, sich in eine verschlungene Linie von unregelmäßiger und unvorhersehbarer Breite verwandelt, um einige Schritte weiter wieder ganz gerade zu verlaufen.

Heiner Thiel beschäftigt sich in seinen jüngsten Werken, wie schon in früheren Arbeiten, mit der Wahrnehmung von Form und Raum, hinzugekommen ist die Farbe. "Viereckige Bleche oder auch frei geschnittene Formen aus Aluminium sind maschinell in eine konkave Form gebracht und in verschiedenen, intensiven Farbtönen eloxiert. Metall und Farbe im optischen Zusammenspiel schaffen einen virtuellen Farbraum, der dem Betrachter entgegenleuchtet. Dieser vermag sich der Sogwirkung von Licht und Farbe, die seinen Blick in die Tiefe der Fläche führt, kaum zu entziehen." (Daniela Christmann)

Gert Riel letztlich ist in erster Linie Plastiker. Der 1941 in Prien am Chiemsee geborene Künstler stellt sich in seiner Kunst die Frage, wie er offene und prozessuale Formen zur Veranschaulichung bringen kann. Er entwickelt gestalterische Möglichkeiten, die er technisch durch Umformen, Biegen, Spannen, Falzen und Trennen seinen Kunstwerken umsetzt. Seine in den Realraum greifenden Reliefs haben eine starke skulpturale Ausstrahlung. Malerisch hingegen sind die farbigen Oberflächen gehalten, sie folgen ganz dem Duktus einer monochromen Farbflächenmalerei.

 

Ansichten XXI: "reliefreduktiv 3"
Edgar Diehl, Andrew Leslie, Andreas Kocks, Vesna Kovacic, Gert Riel, Heiner Thiel, Jan Maarten Voskuil
QuadrART, Dornbirn
Kurator: Edgar Diehl
Bis 28.2. 2015
Do. / Fr. / Sa 17-19, u.n. Vereinbarung