Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Karlheinz Pichler · 20. Apr 2015 · Ausstellung

ORF-Chef lässt ausgestelltes Material der verhinderten Klien-Skulptur ohne Rücksprache mit Künstler entfernen

Ein stilisierter Atompilz, skulptural visualisiert durch Alu-Rohre, hätte der aktuell im Foyer des ORF-Landesstudios in Dornbirn laufenden Ausstellung „Kältetod“ des ebenfalls aus Dornbirn stammenden Künstlers Matthias Klien den Namen und den Aufhänger liefern sollen. Wie KULTUR bereits berichtete, hat ORF-Dornbirn-Chef Markus Klement den Aufbau besagter Skulptur untersagt. Worauf Klien einfach das Material dafür, ein paar Aluröhrchen samt Verschraubungen, als Stellvertreter der Skulptur und symbolische Träger der Atompilz-„DNA“ am Boden platzierte und mittels Umzäunung sicherte. Die Kunstverhinderungsaktion Klements ist mittlerweile um eine weitere Facette reicher. Ein ausgelöster Brandalarm und im Zuge daran erstellte hinterfragenswerte Gutachten der Dornbirner Feuerwehr und Polizei haben dazu geführt, dass der ORF-Direktor das zum Kunstobjekt erklärte Material der ursprünglichen Skulptur ohne Rücksprache mit dem Künstler und der Kuratorin Carina Jielg einfach entfernen ließ.

Klar hat Klement kraft dessen, dass er die Funktion des Direktors innehat, beim ORF-Landesstudio Dornbirn das Sagen. Aber letztlich dürfte man auch von einer Organisation, deren Führungsspitze nicht nach Qualifikation sondern nach politischen Maßstäben, um nicht den Ausdruck Seilschaften zu verwenden, besetzt wird, gewisse demokratische Grundmuster erwarten. Grundmuster, nach denen auch Chefs mit ihren Untergebenen reden und diese zu Wort kommen lassen. Denn immerhin handelt es sich beim „Fall Klien“ nicht um irgendeinen Störenfried, der sein stinkendes Einkaufswägelchen im ORF-Foyer parken wollte, sondern es dreht sich immerhin um Kunst und um einen Künstler, der sich dabei etwas gedacht hat. Wenn eine Putzfrau den Fettfleck, der Bestandteil einer Skulptur von Joseph Beuys ist, wegscheuert, so ist dies bedauerlich. Aber immerhin hat diese Frau in Unkenntnis der Bedeutug des Fettflecks und in guter Absicht gehandelt. Als ORF-Vorarlberg-Direktor sollte man sich aber bewusst sein, dass der Umgang mit Kunst ein gewisses Maß an Sensibilität erfordert. Kunstwerke repräsentieren nicht zuletzt die Gedanken derjenigen, die sie geschaffen haben. Überspitzt formuliert kommt so die Entsorgung eines Objekts einer Entsorgung des Künstlers gleich. Auch wenn die Entfernung mit lächerlich wirkenden „Gutachten“ von Feuerwehr und Polizei „abgesichert“ wird.

Kuriose Gutachten

Kurioserweise gab es unmittelbar am Morgen nach der Eröffnung der Klien-Ausstellung beim ORF Dornbirn einen Brandalarm. Und in Folge des dadurch ausgelösten Einsatzes erging folgendes Feststellungsschreiben des Polizeikommandanten CI Winder an den ORF respektive an Direktor Klement: „lm Zuge des Einsatzes, beim Brandalarm vom 08.04.2015 um 10.57 Uhr, wurde von dem einschreitenden Polizeibeamten Bl FÄSSLER festgestellt, dass im Eingangsbereich (Fluchtweg) diverse Rohre und anderen Gegenstände gelagert werden, die die Flucht von Personen im Brandfall oder bei Anschlägen erschweren. Weiter wird darauf hingewiesen, dass diese Gegenstände von ev. eindringenden Personen auch als Waffen gegen Mitarbeiter verwendet werden könnten und somit auch eine Gefahr für die Sicherheit sämtlicher Mitarbeiter und Gäste des ORF darstellen. Von den Gegenständen wurden Lichtbilder angefertigt. Siehe dazu Beilage Nr.1.“

Ein weiteres „Gutachten“ wurde von Dr. Gerold Hämmerle, Stellvertretender Kommandant Freiwillige Feuerwehr der Stadt Dornbirn, erstellt: „Sehr geehrter Herr Dir. Klement, im Zuge des Brandmeldeanlagen-Einsatzes vom 8.4.2015 ist den Einsatzkräften eine teilweise Verlegung der Flucht- und Rettungswege im Foyer aufgefallen. Diese Behinderung im Fluchtwegsbereich durch abgelegte Rohre wird zwar durch die umgebende Absperrung etwas entschärft, stellt aber dennoch ein Hindernis dar. Gerade in einer Situation mit einer Verrauchung des Gebäudes kann dadurch die Flucht von Personen erschwert und auch der Einsatz von Atemschutzkräften gefährdet werden, ln einem Gebäude mit Publikumsverkehr und einer Nutzung mit zeitweise größeren Menschenansammlungen, stellt dies aus meiner Sicht eine nicht akzeptable Gefährdung der Fluchtmöglichkeiten dar. lch möchte sie deshalb höflich auf die Verantwortung für frei begehbare und hindernisfreie Flucht- und Rettungswege hinweisen.“

Wer die Situation im ORF-Gebäude kennt und die paar Röhrchen am Boden gesehen hat, dem muten diese „Gutachten“ überaus kurios, wenn nicht gar lächerlich an. Zudem sind im Foyer des ORF-Landesstudios im Verlaufe seiner Ausstellungshistorie schon etliche andere und weit „gefährlichere“ Objekte aufgestellt worden. Und nie ist es zu Beanstandungen gekommen. Aber da regierten auch Leute das Haus, die zumindest an Kultur interessiert waren. Künstler Matthias Klien jedenfalls leitet aus der gegebenen Situation drei Problempunkte ab: „Zum einen frage ich mich, wie Direktor Klement diese Schreiben erwirkt hat. Dann wie sich die Kommandanten haben hinreißen lassen können, solch blanken Unsinn zu schreiben (zum Beispiel gibt es keinen Fluchtweg durch das Foyer). Und das Wichtigste: Das würde praktisch bedeuten, dass NIE WIEDER etwas im Foyer stehen darf, und auch keine Veranstaltungen mehr dort stattfinden dürfen.“

Die KULTUR-Redaktion hat übrigens vergangenen Freitag bei den Kommandanten der Dornbirner Polizei und Feuerwehr per Mail um Stellungnahmen zu diesen Gutachten angefragt. Wie nicht anders zu erwarten, sind bis Montagabend keine Antworten eingetroffen. Wie soll man solch einen Blödsinn auch plausibel begründen können?

(Siehe auch: http://www.kulturzeitschrift.at/kritiken/ausstellung/orf-vorarlberg-chef-markus-klement-verhindert-skulptur-von-matthias-klien)

Matthias Klien: „Kältetod“
ORF Landesfunkhaus Dornbirn
Bis 23.6.2015
täglich geöffnet bis 21 Uhr