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Karlheinz Pichler · 29. Okt 2015 · Ausstellung

Mona Lisa püriert und manipuliert – Siegfried Fruhauf und Christian Rupp in der Bludenzer Galerie allerArt

Gemeinsam ist den Künstlern Siegfried Fruhauf und Christian Rupp der überaus technikaffine Zugang zur Kunstproduktion. Beide beziehen das Bildmaterial, mit dem sie arbeiten, zumeist aus dem Internet, und beide stützen sich auf Computerprogramme, wie etwa den Photoshop oder Filter, um die Vorlagen zu verarbeiten, künstlerisch zu verfremden oder zu neuen Lösungen zu führen. Die Galerie allerArt in der Remise Bludenz gibt derzeit einen aktuellen Einblick in das Schaffen der beiden willkürlich zum Duo zusammengespannten Kunstschaffenden.

Das diesjährige Ausstellungsprogramm der Galerie allerArt ist auf Künstlerduos und Künstlerpaare augerichtet. Das Kuriose an der aktuellen Konstellation Fruhauf-Rupp ist, dass sich die beiden Künstler vor diesem Gemeinschaftsprojekt noch gar nicht persönlich gekannt hatten. Kurator Alfred Graf hat die beiden, im Wissen um die technischen Parallelen in ihrem Schaffen, einfach eingeladen, ein gemeinsames Ausstellungsprojekt zu starten und sie haben die Herausforderung angenommen, ohne zu ahnen, was denn da herauskommen könnte.

Digidada


Der in Wien und im oberösterreichischen Heiligenberg lebende Fruhauf, Jahrgang 1976, kommt eigentlich vom Film. Er studierte experimentelle visuelle Gestaltung in Linz und hat schon etliche Auszeichnungen und Preise im Metier des experimentellen Filmschaffens eingeheimst. "Mit unerhörter Verve hat sich Siegfried Fruhauf innerhalb nur weniger Jahre in das zeitgenössische Filmkunstgeschehen Österreichs eingeschrieben“, urteilte etwa Peter Tscherkassky, bei dem er das Filmen gelernt hat, über ihn.

Das hält ihn aber nicht davon ab, immer wieder auch Ausflüge in die bildende Kunst zu unternehmen. Wobei er in den beiden Sparten parallele Vorgangsweisen an den Tag legt. Beim Film etwa nimmt er das Medium mitunter so lange auseinander, bis es nur noch als Essenz vorhanden ist. Im Anschluss daran zieht er dann häufig wieder eine narrative Schicht ein. In einem Essay für die Programmzeitschrift der Viennale 2010 konstatierte Fruhauf zum Thema Film: „Durch die technische Aufnahme werden Erlebnisse – persönliche Eindrücke – nicht dauerhafter. Sie bleiben so unhaltbar wie das projizierte Bild, das nichts auf der Leinwand zurücklässt. Doch Film bringt es zustande, uns die Unendlichkeit im Augenblick vermuten zu lassen.“

Das Prinzip des Auseinandernehmens, des Auflösens, des kalkulierten Zersetzens ist auch in seinen bildnerischen Werken zu beobachten. Bei der Arbeit „Kunstfilter“ etwa hat er eine Fotografie von Kurt Schwitters Arbeit „Construction for Noble Ladies“ aus dem Jahre 1919 aus dem Netz heruntergeladen und so lange gefiltert, bis keine weitere Filterung mehr möglich war und vom Ursprungsbild nur noch sich überlagernde und kreuzende Farbflächen übrig blieben.

Für das auf einem Sockel präsentierte Buch „Mona-Lisa-Püree“ wiederum hat er 100 verschiedene aus dem Web bezogene Fotoversionen von Leonardo da Vincis „Mona Lisa“ soweit hochgepixelt und damit also gleichsam püriert, dass zum Schluss nur noch Farbquadrate in allen möglichen Schwarz-Grau-Schattierungen übrig blieben. Jedem dieser auf ein Kleinformat reduzierten Quadrate hat Fruhauf in diesem Buch eine Seite eingeräumt. Der Betrachter ist aufgefordert, darin zu blättern. Ein einhunderteintes Bild hat er des Weiteren per Inkjet größer auf eine Leinwand gedruckt und als „Mona Lisa 101“ an die Wand gehängt.

Auch zwei Videoarbeiten von Fruhauf sind zu sehen. In „Pixel-Baby“ löst er ein schreiendes Baby in die digitale Binärsprache auf, also in Nullen und Einsen. Wobei das Bild ständig zwischen realer Figuration und Zahlendarstellung changiert. Der Betrachter kann mitunter Fragmente eines schreienden Babys tatsächlich wahrnehmen, im nächsten Moment löst sich das Bild in eine Zahlenmatrix auf. Wobei die hellen Bereiche des Bildes mit Nullen bezeichnet sind, die dunklen mit Einsen.

Die zweite Videoarbeit nennt sich „Mona Lisa Dissolution“. Dabei dreht es sich um eine Videoinstallation, die das Lächeln dieses berühmten Gemäldes mit Bildern aus dem Internet in gewisser Weise reanimiert und soweit hochpixelt, dass es sich in sich selbst aufzulösen scheint, wie dereinst Arnold Schwarzenegger als Terminator in der glühenden Flüssigkeit. Ein Stichwort könnte hier „das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ lauten. Der österreichische Filmkritiker und Journalist Stefan Grissemann schrieb zu dieser Installation: "Mona Lisa Dissolution heißt eine Produktion, die einen Alten Meister dem Häcksler der neuen Bildbearbeitungsmaschinerie überantwortet. In Fruhaufs Filmen laufen die Bilder, so fest gefügt sie auch scheinen, akut Gefahr, sich an sich selbst zu verlieren."

In den Arbeiten, die Fruhauf für Bludenz ausgewählt hat, ist zweifelsohne auch ein gewisser dadaistischer Zugang ablesbar. Die Werke verstehen sich als eine Auseinandersetzung mit der elektronischen und digitalen Be- und Verarbeitung von Kunstwerken und das mit einem leichten Augenzwinkern, und nicht ganz ironiefrei. Als Überbegriff und Arbeitstitel für diesen Ansatz verwendet der Künstler denn auch gern das Wort „Digidada“.

Nichts als Haare


Die Versuche Fruhaufs an den Mona-Lisa-Variationen stellen auch die direkte Verbindungslinie zum Beitrag von Christian Rupp her. Während für Fruhauf jedoch immer auch der direkte Diskurs mit dem Medium selbst eine zentrale Rolle spielt, fokussiert Rupp in „da Vinci 4 Nike“ auf das Inhaltliche, respektive etwa auf die Vermarktungsstrategien von Großkonzernen. So hat Rupp bei der Arbeit „da Vinci 4 Nike“, die zur Serie „Branded - Featured Sponsors“ zählt, den Mund der lächelnden Mona Lisa durch das Logo-Häkchen des Sportartikelgiganten Nike ersetzt. Während also Fruhauf die Mona Lisa „püriert“, manipuliert Rupp die Leonardo-da-Vinci-Ikone. Mit solchen „Featured Sponsors“-Arbeiten spielt Rupp auch mit dem Druck des Marktes auf Künstler, "wiedererkennbare" Werke zu machen. Das heißt solche, die sich auf den ersten Blick bereits einem Künstler zuordnen lassen und damit in der Ökonomie der Aufmerksamkeit besser funktionieren. Andererseits nimmt der Künstler damit auch den Trend aufs Korn, dass die Kultur immer mehr dazu gedrängt wird, sich durch Sponsoren finanzieren zu lassen.

Daneben zeigt Christian Rupp in Bludenz mehrere Arbeiten aus seinem „Hair"-Zyklus. Ausganspunkt dieses Projekts sind erotische Fotografien mit pornografischen Posen, in denen alles weggelöscht wird bis auf die Körperbehaarung. Man sieht also nur Haare - das Bild dazu ergibt sich von selbst in der Vorstellung des Betrachters. Der Künstler versucht anhand dieser Serie, wie er selber sagt, das schafartige Herdenverhalten anhand von Körperbehaarung ironisch zu bearbeiten. Während es in den 1970er-Jahren möglich war, Körperbehaarungstoupets zu verkaufen, werden heute Umsätze maximiert, indem jede Art von Körperbehaarung in Medien- und Werbeindustrie phobisch präsentiert wird. Auch bei dieser Werkserie kann man von Dekonstruktion und Neukonstruktion von Bildern aus dem Internet sprechen.

Der aus Wien stammende Rupp ist übrigens nicht nur als Künstler bekannt geworden, sondern auch als Organisator des Projektes „ARTmART“ in Wien. Wobei „ARTmART“ eine Art „Verführungskonzept“ darstellen soll, um Menschen mit dem „Kunst haben wollen“ und dem Sammel-Gedanken anzustecken. „ARTmART“ richtet sich an Leute, die noch jung sind und beispielsweise mit studentischen Budgets auskommen müssen, aber auch an eine bereits wirtschaftlich stabile Mittelschicht. Rupp hat „ARTmART“ zusammen mit Lorenz Seidler aufgebaut und betreibt ihn mit diesem seit nunmehr acht Jahren. Die nächste Ausgabe findet von 18. bis 22. November im Wiener Künstlerhaus statt. Da gibt es dann Arbeiten von rund 250 Kunstschaffenden zum Sonderangebot: Alles kostet gerade einmal 80 Euro. Egal ob die Werke von jungen, noch unbekannten Künstlern stammen oder von renommierten. Rupp und Seidler haben dieses Konzept für eine alternative Art des Kunstmarkts aus Griechenland übernommen. Die dortigen Organisatoren sind auch in Wien mit an Bord. Außerdem gibt es in diesem Jahr Unterstützung vom Mumok (Museum moderner Kunst), der Kunsthalle Wien und der Kunsthalle Krems.

Christian Rupp und Siegfried A. Fruhauf
Galerie allerArt in der Remise Bludenz
Bis 29.11.
Mi-So 15-18
www.allerart-bludenz.at