Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Mirjam Steinbock · 14. Dez 2016 · Ausstellung

In grenzenloser Verbindung zwischen einst, heute und morgen – Das vorarlberg museum zieht Bilanz und blickt in die Zukunft

Der Direktor des vorarlberg museums in Bregenz, Andreas Rudigier, und die Kuratorin Theresia Anwander ließen anlässlich der Pressekonferenz am Dienstag die vergangenen drei Jahre Revue passieren und warfen einen Blick auf Zahlen, Daten und Eindrücke des vergangenen sowie auf das Programm des nächsten Jahres. Dass das Haus mittlerweile zu einem Ort der Begegnung zwischen Publikum, Programm und AkteurInnen wurde, zeigt auch der Tätigkeitsbericht „sichten“, der in wunderschön gefertigter Fadenheftung bildhafte Eindrücke von Architektur, Ausstellungen und Ereignissen dokumentiert und beteiligte Menschen mit Texten zu Wort kommen lässt.

Ein großer Vorteil für den Anklang des Museums sei die neue Architektur, erklärte Andreas Rudigier. „Wir als Museum stehen für etwas. Erst recht als Landesmuseum.“ Oft höre er von BesucherInnen, dass das Haus ganz anders sei, als sie gedacht haben. Er freue sich, wenn Menschen mit Neugier kämen. „Museum“ - dieser Begriff sei ja immer mit klaren Vorstellungen verbunden. Dies bringe ein Markenproblem mit sich, gibt Rudigier zu bedenken.

Positive Rückmeldungen

Mit den Reaktionen ist der Direktor zufrieden. Zu 80% seien diese hervorragend und die verbleibenden 20% immer noch gut. Eine besondere Bestätigung bekam das Haus durch die Verleihung des Österreichischen Museumspreises in diesem Jahr. Darüber hinaus gelte es bei KollegInnen anderer Museen als Orientierungsmodell dank seiner außergewöhnlichen Architektur und des inhaltlichen Konzepts. Mit dem Format „sichten“ werden im vorarlberg museum seit 2013 in Ausstellungen und Veranstaltungen sowohl die eigenen als auch die externen Sichtweisen auf das Bundesland und das Museum zurückgespielt.
Zu den Grundsätzen des Hauses gehöre der Blick in die Geschichte und Gegenwart und es gelte, Objekt und Mensch in den Mittelpunkt zu stellen, so Rudigier. Ein weiterer Ansatz sei der offene Zugang und die Akzeptanz vieler Meinungen. Die Dauerausstellung „ganz nah“ ist nur ein Beispiel der gelungenen und kooperierenden Konzepte, mit denen das vorarlberg museum über einen längeren Ausstellungszeitraum zu Betrachtung und Diskurs einlädt.

Daten und Fakten

Die Zahlen sprechen für sich: 38 eigene Ausstellungen setzte das Haus in drei Jahren um, 13 in Kooperation. Über 190.000 BesucherInnen zählte das Museum von 2013 bis Dezember 2016. Rund 400 Veranstaltungen rundeten das Ausstellungsprogramm ab. 24 eigene und 24 Publikationen in Kooperation gab das vorarlberg museum heraus. Das Programm wurde mit knapp 1.800 Führungen und 800 Workshops begleitet und rund 30.000 Teilnehmende nahmen dies in Anspruch.

Das Budget wiederum bleibt unverändert. 2016 wurde es mit 4,2 Millionen Euro bestritten, 3,7 Millionen wurden vom Land Vorarlberg subventioniert. Diese Zahlen entsprächen jenen von 2015 und blieben auch 2017 gleich, informierte Werner Döring, Geschäftsführer der Vorarlberger Kulturbetriebsgesellschaft.

Einen großen Dank sprach Andreas Rudigier seinem Team aus, das aus rund 60 Mitarbeitenden besteht. Er bezeichnete es als glückliche Situation, mit Menschen arbeiten zu können, die zum Teil an Grenzen und auch darüber hinaus gelangten, um das Programm zu ermöglichen.

Programm für 2017

Auch das Jahr 2017 verspricht ein zeitgemäßes Programm, das geschichtsträchtige wie persönliche Jubiläen bedeutender KünstlerInnen sowie gesellschaftspolitische Themen aufgreift und welches auch außerhalb des Landesmuseums stattfinden wird. Ausstellungsmanagerin Theresia Anwander erläuterte die Sonderausstellungen, die sich vor allem den Themen Familienschicksal, Flucht und Verfolgung widmen, wie aktuell „Der Fall Riccabona“ und die darauf folgende Sonderausstellung „Romane Thana“ ab 25. Mai 2017, die das Leben von Roma und Sinti auf der Straße dokumentiert. Diese Ausstellung wird in Kooperation mit der Initiative Minderheiten, dem Landesmuseum Burgenland, dem Romano Centro und dem Wien Museum gezeigt. Im Burgenland und in Wien lief „Romane Thana“ bereits erfolgreich, in Bregenz wird die Ausstellungsthematik mit Geschichten aus Vorarlberg und der Bodenseeregion angereichert. Als Anknüpfungspunkt dient die aktuelle Diskussion um ArmutsmitgrantInnen und die Oper „Carmen“ der Bregenzer Festspiele 2017, die ein eher romantisches Bild und einen Zauber vermittle, aber sinnbildlich für viele „Carmens“ auf der Straße stünde, so Anwander.

Retrospektive und Musik

Eine weitere Sonderausstellung widmet sich ab 25. November dem in Hörbranz lebenden Künstler Richard Bösch. Eine Retrospektive, die das Museum anlässlich Böschs 75. Geburtstag mit Werken aus rund fünf Jahrzehnten präsentiert. Angefangen von seinen frühen Zeichnungen über die figurative Phase bis zu den neuen, großformatigen und farbenreichen Arbeiten.

Bei „Pantaleon, Giraffe & Co“, der letzten Sonderausstellung 2017, wird es musikalisch. „Historische Tasteninstrumente in Vorarlberg“ lautet der Untertitel und diese sind ab 11. Dezember zu sehen und auch akustisch zu erleben. Kostbare Originalinstrumente, unter anderem ein Hammerklavier, werden zu den Protagonistinnen dieser Schau und erleben eine Renaissance in der Betrachtung und Einordnung ihres spannenden kulturgeschichtlichen Kontextes. Als kleine Sensation bezeichnet es das vorarlberg museum, dass der Gastkurator Michael Günther eines der ältesten Tafelklaviere im Depot des Schattenburgmuseums in Feldkirch entdeckte. In dem begleitenden Musikprogramm werden die ausgestellten Instrumente auch zu hören sein.

Ausstellungen im Atrium

Im Atrium des Museums werden bestehende wie neue Werke von vier bedeutenden Vorarlberger KünstlerInnen präsentiert. Auf die Ausstellung „Soziale Skulptur“, in der die Künstlerin Ines Agostinelli mit Unterstützung von über 600 Einheimischen und Flüchtlingen, Erwachsenen und Kindern unzählige bunte Heißluftballon-Modelle den gesamten Atrium-Raum bespielen lässt, folgt eine skulpturale Ausstellung der Künstlerin Uta Belina Waeger ab 8. April. „Vom Design zur Kunst – Ein unwiderstehliches Experiment“ ist das Thema Waegers. Sie gestaltet gebrauchte Möbel mit Textilien, Verpackungs- und weiteren Materialien so um, dass schließlich Designprodukte daraus entstehen, die gleichzeitig auch Kunstobjekt sind.

Ab 20. Juli wird der Bildhauer Herbert Albrecht mit „Stein und Bronze“ das Atrium zum Schauplatz seines sechzigjährigen Wirkens machen. Anlässlich des 90. Geburtstages von Albrecht, der noch immer bildhauerisch tätig ist, wird der Mensch in verschiedenen Positionen und Betrachtungen im Mittelpukt der Ausstellung stehen. Es wird ein Querschnitt aus Albrechts umfangreicher Arbeit sein, die anschließend leicht verändert auch im Kunsthistorischen Museum in Wien zu sehen sein wird.

Der freischaffende Künstler Hannes Ludescher, der sich mit den Themen Wasser und Stein auseinandersetzt, bespielt das Atrium ab 16. September mit seinen bis auf das Zehnfache vergrößerten Papiersteine. Die Inspiration für die Skulpturen fand er auf seinen Reisen in Mittelmeerländer und in seiner näheren Umgebung. Im vorarlberg museum lösen sich die Papiersteine vom Boden und werden über einer Serie von Wasseraquarellen im Raum schweben.

Intervention mit Reformation

500 Jahre Reformation gaben den Anlass für die Intervention im gesamten vorarlberg museum. „Hier stehe ich...“ soll einst Martin Luther anlässlich seiner Rede auf dem Reichstag 1521 in Worms gesagt haben und so heißt auch die intervenierende Ausstellung. Die Geschichte des evangelischen Lebens in Vorarlberg weist eine noch nicht so lange Geschichte auf und geht auf circa Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Das Museum präsentiert ab 20. Mai 2017 Kurzbiografien ausgewählter historischer Persönlichkeiten des evangelischen Lebens in den bestehenden Ausstellungen und macht deren Wirkungskreise auch an Orten im ganzen Land sichtbar.

Experiment und Weitblick

Möglichkeiten zu schaffen scheint zum stets präsenten Motto des vorarlberg museums zu gehören. Mit einem Team, das die Kunst- und Kulturgeschichte genau so beachtet wie zeitgenössische Tendenzen und Personen, die erst am Beginn ihres künstlerischen Schaffens stehen, verkörpert es einen Raum für Darstellung und Experiment, für Weitblick und Einsicht. „Verstehen, wer wir sind“ steht an der Fassade. Und im Sinne des Verstehens baut das Museum auch ständig eine Brücke zwischen damals und jetzt.