Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Anita Grüneis · 20. Jun 2016 · Ausstellung

Gert Gschwendtners GedankenBerg - Ein heiliger Hain in Sevelen, SG

Die Germanen bauten ihren Göttern keine Häuser, sondern weihten ihnen Landschaften, heilige Haine, Bäume und Gewässer. Der GedankenBerg in Sevelen ist ebenfalls ein Heiliger Hain. Gert Gschwendtner und Mali Gubser haben ihn der Kunst geweiht.

Wie eine kleine Insel ragt der Berg am Storchenbüel aus der Gemeinde heraus. Wer auf der Autobahn A13 in Sevelen abzweigt, bei der Hauptstraßen-Kreuzung links abbiegt, ist fast schon da, denn der Storchenbüel liegt mitten im Dorf. Umringt vom Lärm der Auto- und Eisenbahn, von Fahrzeugen aller Arten und von Baustellen, wirkt er wie eine stille Trutzburg. Mali Gubser hat den Hügel von ihrem Vater geerbt. Er war überwuchert mit Gestrüpp und alten Bäumen, mit Felsen, die wie Findlinge herausragten und einem Bunker aus dem 2. Weltkrieg. Ein scheinbar nutzloses Gelände. Wieviel Wesen in diesem Hügel steckt, machte sie nun mit ihrem Lebensgefährten Gert Gschwendtner deutlich. In vier Jahren entstand ein Kunstpark, der GedankenBerg.

Vom Alltag zum Bunker


Der GedankenBerg umfasst 14 Stationen. Wer auf ihm unterwegs ist, taucht ein in eine andere Zeit, einen anderen Ort. Schon beim eisernen Eingangstor ist es, als besuche man Meister Hora, den Hüter der Stundenblumen. Tafeltexte begleiten die eigenen Schritte und Gedanken, vorbei am hohen Wiesengras, die Grillen zirpen, auf einer überdachten Terrasse sitzt ein Mann am Laptop, in der Ferne ruht der Schellenberg und im Vorbeigehen ist zu lesen: „zur Einsicht unterwegs“. In der Mitte des Hügel dann plötzlich der Bunker, umwuchert von roten Walderdbeeren. Rasch ein Blick durch das staubige kleine Fenster, auf einem Teller eine Büste, mit Mullbinden gehalten – ein Gefangener? Vergessener Hüter des Bunkers?

Die Himmelsleiter


Danach die eiserne Leiter, wie eine Himmelsleiter führt sie in die Höhe, die Stützen der Handläufe haben geschmiedete Umfassungen. Gitterroste lassen auf jeder Stufe die tiefroten Walderdbeeren durchschimmern. Der Lärm aus der Umgebung entfernt sich, es scheint, als würden die Vögel lauter zwitschern, die Krähen tiefer schreien. Die Gedanken weiten sich. Am Ende der Leiter angekommen, steht die Türe „Poesie der Vernunft“ weit offen, im Hintergrund gegen Süden sind Rebstöcke zu sehen, ein paar Schritte weiter dann das Mausoleum für das Trommelfell.

Das ruhende Ohr


Nein, ein Klanghaus ist es, in dem das stumme Trommelfell schläft. Es ist plötzlich ganz ruhig. Auch das eigene Ohr hat Pause, der höchste Punkt des Hügels ist erreicht, nun hinsetzen und lauschen. Die Stille wird lauter. Schnecken ziehen ihre Bahn auf den Holzbrettern, die sich zum Sitzen anbieten, obwohl Ameisen darüber wuseln. Unglaublich, wie voll Stille sein kann. „Über das Trommelfell erreicht der Klang das Denken bevor er verschwebt / In Gedanken entsteht die Beurteilung“, schreibt der Künstler.

Bauplatz der Utopie


Der Zenit ist erreicht, nun geht es wieder hinab, vorbei an den Freunden Hegels – Köpfe ohne Ohren und ohne Münder, die auf hohen Eisenpfosten ruhen und behaupten, dass das Jetzt nicht ohne Vergangenheit existiert. Unter den Füßen knirscht der Kies und über eine Teerstraße führt der Weg durch ein weißes Tor, das den Privatbereich des Künstlers von seiner Arbeit trennt, hinab zum „Bauplatz der Utopie“. Eine goldene Figur ruht auf einem Felsstück, eine Felszeichnung – Erich von Däniken würde behaupten, dass die Außerirdischen hier gewesen sind. Das Dorf ist wieder sehr nahe und ein großes blaues Plastikschwimmbecken wirkt auch wie ein Stück Utopie. Ein verschlossenes Eisentor mahnt: „Den Unsinn ausschließen“ und auf dem Weg zurück ist eine Öffnung in den Berg geschnitten, vor dem eine lange, traurig wirkende Figur steht. Sie erinnert an den Bergbau, die Ausweidung der Felsen.

Das Berghirn


Noch einmal führt der Weg den Berg hinauf, zum Berghirn. Eine Felsformation, die sich wie von selbst zum Bemalen angeboten haben mag – eine Unzahl von Schriftzeichen überzieht sie, Denkmuster, und zugleich innerstes Wesen des Steins, des Felsens, des Hügels. Das Hirn liegt nackt vor dem Betrachter und man möchte es schützen, mit einer Kopfhaut überziehen, Haare darüber wachsen lassen. Doch das übernimmt die Natur sowieso. Außer der Künstler legt die Zeichnungen immer wieder frei, pflegt und kultiviert den Gedankenberg, damit auch andere Besucher vom 1. April bis 1. November jeweils von 9 bis 20 Uhr darin herumspazieren können.