„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Peter Niedermair · 12. Mär 2020 · Ausstellung

Franz Gassner – „Zeichenfelder Linienfelder Klangfelder“

Noch bis 9. April zeigt der Lustenauer Künstler rund 20 Arbeiten aus seinem Œuvre im Rahmen von "50 Jahre Kunst" im Bildungshaus Batschuns.

„Was ist der Sinn einer Ausstellung? …

… das habe ich mit Helga besprochen, bevor Du gekommen bist,“ erzählt er mir, als wir die Stiege in ihrem Haus hinaufgehen. Das Haus übrigens eines der frühen Meisterwerke von Rudl Wäger. Dann habe er (für sich) Friedhelm Mennekes SJ zitiert. (geb. am 6. März 1940 als Friedrich Wilhelm Mennekes in Bottrop, deutscher katholischer Theologe, Priester und Kunstverständiger, 1989 gründete er in der gotischen Stadtpfarrkirche Sankt Peter als ein Zentrum für zeitgenössische Kunst und Musik die Kunst-Station Sankt Peter in Köln, 2008 ließ er sich von seinen priesterlichen Aufgaben emeritieren, von 1989 bis heute hat er verschiedene Gastprofessuren und Kunstprojekte zum Thema Kunst und Kirche an der Universität für Bildende Künste in Berlin, der Universität für Angewandte Kunst in Wien; und anderen; Mennekes war mehrfach zu Gast hier in Vorarlberg.)

… „Das kreative Erfragen des Seins“

In den in Batschuns ausgestellten 20 Arbeiten von Franz Gassner kann man Kunst als Tektonik begreifen, deren Semantik in den Übergängen reflektierbar wird. Aus der Katamnese der Traumatisierungen. So als formte der Künstler traumwandlerisch seine Zeichen und Linien aus dem Fundus der Erinnerung. Diese Transformation in die Reduktion erscheint bei Franz Gassner als die nach innen geschichtete Form. Wenn die Fläche da ist und wenn die Linie da ist, ist alles schon da und kann ganz alleine stehen. Mit Referenzen an die Geschichte. Die persönlich-biografische und die Historie insgesamt und die armenische im Besonderen. Der Künstler schaut zurück. Ist hier und dort. Und yonder. Pardesse und Paradies. Die Linie als Manifest des aufrechten Gangs. Man is the Measure.
Man muss, wie dies in der Batschunser Ausstellung mehrfach bei Besucher*innen zu beobachten ist, auf des Künstlers Bildzeichen zugehen und danach wieder ein paar Schritte zurücktreten. Wegen der Perspektiven, Luken und Nischen, der Fenster und der Seele. Muss sich einlassen ins Alphabet des Sehens, um der Bildzeichen magische Energie zu begreifen, die ihnen eingetexteten Erfahrungen zu lesen. Über die Existenz. Den Schmerz. Die Angst. Die Schönheit. Und die Liebe. Und weil wir Menschen sind. Der Raum hinter der Fläche ist wie vermantelt. Um im Sichtbaren unsichtbar zu bleiben. Derart führen uns seine Zeichen unsere eigene Existenz vor. Er führt uns an Menschenbilder heran. Sie sind Bilder vom Menschen als Widerstandsanalyse. Von sich und anderen. Sie zeigen den Menschen in seiner vollen Intensität. Schutzlos. Entblößt. Einsam. Als Wesen in seiner Metamorphose. In Übergängen. In zutiefst menschlicher Intimität. Der Ruf nach Identität bleibt außer Hörweite. Zum Glück. Franz Gassners Zeichen bleiben autonom. Sie weisen, ohne zu zeigen, auf die Fragen hin, die wir uns eh selbst stellen. Stellen müssen. Im Akt des Sehens erscheint der Akt der Geschichte. Dieses Feld hat eine Nähe zu Udo Rabensteiners Skulpturen. Da wie dort erscheint das Unmögliche federleicht.  Der aufrechte Gang bleibt, auch wenn das Gehen mit der Zeit beschwerlicher ist.

Das Prinzip der Reduktion

„Die Suche nach Reduktion prägt Franz Gassners Arbeiten von früh weg. Inhalt und künstlerisches Verfahren sind Parallelprozesse. Auf einem konkreten Gegenstand basieren die Zeichenfelder von anmutiger Leichtigkeit, und hier hat Franz Gassner eine besondere Maltechnik entwickelt, ein Wechselspiel von Hintergrund, Auslassung und Bildmotiv, das eine eigentümliche Intensivierung des Sehens auslöst. Er erreicht die Abstraktion durch stringente Reduktion und Komposition. Die Arbeiten evozieren eine feine Musikalität als ob die Bildmotive unendlich behutsam zum Schwingen gebracht würden“, schreibt Patricia Grzonka in: „Linien . Lilien . Erratische Blöcke. Zu den Arbeiten Franz Gassners“, in: Franz Gassner. Schlebrügge Editor, Wien, 2015.
Das vom Bruder des Künstlers, Reinhard Gassner, perfekt und mit außergewöhnlichem Feingefühl gestaltete Buch bietet einen kompakten Einblick in das Werk Franz Gassners aus den letzten zwei Jahrzehnten. „Franz Gassners Bildkompositionen suchen die farbliche und formale Reduktion, arbeiten mit rhythmisch verwobenen Zeichen auf meist monochromem Grund und fügen sich zu großen, thematisch gefassten Werkzyklen. In meditativ entfalteten Bildfolgen führt Gassner zu den einfachen, strukturbildenden Formen der Malerei zurück, seine Abstraktionen öffnen im selben Moment Dimensionen der Transzendenz. Die lasierend gemalten, flächigen Bildkompositionen verbinden moderne Leichtigkeit und Archaik, in den Bildfolgen werden die Fortschritte der Abstraktion transparent; letztendlich stellen sie, sehr diskret, existentielle Fragen, die auf den spirituellen, philosophischen Hintergrund des Œuvres Franz Gassners verweisen.“ (Ausstellungstext) Gedanken über existenzielle Fragen des Menschen, wie sie Sören Kierkegaard formulierte, bilden den philosophischen Hintergrund der Bild-Zyklen von Franz Gassner.

„Blau ist die Farbe der äußersten Orte“

(Ernst Jünger) Diese äußersten Orte suchte Franz Gassner in der Reduktion seiner Aussagen über Lilien auf. Was motivierte ihn dazu? Die Schwertlilie aus den feuchten Wiesen im Lustenauer Ried, die zum Ausgangspunkt der immer abstrakter werdenden Lilienfelder / Linienfelder wurde? Um diesen Einklang, das Zusammen-Klingen der Linien geht es auch in all den linearen Strukturen, die sich abheben vom gebrochenen Weiß des Grundes.
„Die Linien sind geschwungen, schwerelos, wie Engelschwingen, ‚Inklinationen‘ nannte man das im Mittelalter: ‚Zuneigungen‘, verwandt den Bogen der Brücken, die sich schwingen von Pfeiler zu Pfeiler, wie Melos, steigend und fallend über Höhen und Tiefen in sanftem Rhythmus gesungener Psalmen. Die Linien sind Schwingungen, weil alles, was wir sehen, alles, was wir hören, alles, was uns bewusst wird, letztlich auf der Wahrnehmung von Schwingungen beruht, alles vor allem Schwingung ist, selbst die Elementarteilchen der Atome kaum Materie, vorwiegend Schwingung.“ (Franz Bertel)

Kierkegaard ist für Franz Gassner nach wie vor wichtig

Diese hier neben dem Beitrag stehenden zwei Bilder stehen im Zentrum der Ausstellung. Franz Gassners Idee war es, den Raum zu durchstoßen. Dabei gibt es auch einen Bezug zu den Arbeiten von Ferdinand Gehr in der Kapelle. In der Ausstellung sind das lichte Bild und das dunkle zu sehen. Zwei Tryptichen - 270 x 270. Die Bilder passen so nach Batschuns, als wären sie wie für diesen Ort gemacht worden. Dabei wird der Besucher mit etwas konfrontiert. Man tritt auf es zu und ist plötzlich im Bild. Diese Arbeiten hängen mit den Lilien auf dem Felde und allen Hauptthemen Franz Gassners zusammen.

Franz Gassner

geb. 1941 in Frastanz, lebt und arbeitet in Lustenau, 1961 – 1966 Studium Hochschule für angewandte Kunst, Wien, Diplom, seit 1966 freischaffender Künstler, 1974 – 2001 Kunstpädagoge an Gymnasien in Bregenz

Preise und Auszeichnungen

  1. Preis Jeunesse Musicales Amsterdam
    Förderpreis für Kunst des Landes Vorarlberg
    Ehrengabe für Kunst und Wissenschaft des Landes Vorarlberg, Jubiläumsfonds Dornbirner Sparkasse
    Zahlreiche Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen im In- und Ausland, u.a. in: Galerie Haemmerle Götzis, Galerie Hollenstein Lustenau, Palais Liechtenstein Feldkirch, Jerewan Armenien, Künstlerhaus Palais Thurn & Taxis Bregenz, Chios Griechenland, ORF Landesstudio Dornbirn, Galerie aller Art Bludenz, Galerie artmark Wien, Milk-ressort Göfis

Öffnungszeiten der Ausstellung:
bis 9.4.
Mo - Fr 8 - 12 und 14 - 17, Sa - So 8 - 12 Uhr
Bildungshaus Batschuns, 6832 Zwischenwasser
Tel. 05522 44 2 90 – 0

www.bildungshaus-batschuns.at