Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Thorsten Bayer · 17. Okt 2012 · Ausstellung

Eine gelungene Verschränkung von Vergangenheit und Gegenwart – das vorarlberg museum ist enthüllt worden

Selten fallen zwei Termine ihrer beiden Ressorts zusammen. Der heutige Mittwoch war so ein Tag: Landesrätin Dipl.-Vw. Andrea Kaufmann, zuständig für Kultur und Hochbau, enthüllte das vorarlberg museum. Bei einer Pressekonferenz im Rohbau kamen neben der ungewöhnlichen Hülle auch erste Inhalte der geplanten Ausstellungen zur Sprache. Das insgesamt 34 Millionen Euro teure Gebäude soll im Juni 2013 eröffnet werden.

Die Bauarbeiten bei der derzeit noch größten Hochbau-Baustelle Vorarlbergs liegen im Plan. „Wichtig ist für uns auch eine ressourcenschonende Bauweise und der Einsatz von ökologischen Baumaterialien, um eine lange Nutzungsdauer zu garantieren und einen nachhaltigen Beitrag zu leisten“, erklärte Kaufmann. Nach Fertigstellung wird das Museum Passivhausqualität vorweisen können. Sechs Stockwerke umfasst das Gebäude. In den unteren beiden solle vor allem der Mensch im Fokus stehen, beispielsweise ein Café Möglichkeiten zur Begegnung schaffen, sagte Dr. Andreas Rudigier, Direktor des vorarlberg museums.

Fünf Ausstellungen 2013

Die Ebene drei ist Sonderausstellungen vorbehalten. Hier wird als erstes „African Lace“ gezeigt(21. Juni 2013 bis 7. Jänner 2014). Diese Ausstellung widmet sich der Textilbranche, genauer: den Handelsbeziehungen zwischen Vorarlberg und Nigeria. Der Titel greift eine Markenbezeichnung für industrielle Stickereien aus Vorarlberg auf, die speziell für den afrikanischen Markt hergestellt werden. Die Ebene vier ist als Orientierungsebene konzipiert, in der die Frage gestellt wird: Wie ist Vorarlberg entstanden? Zum Auftakt ab dem 21. Juni 2013 dreht sich alles um Musik, Klänge und Geräusche. Das passende Format heißt „SICHTEN“, der Arbeitstitel der Ausstellung „Das Land hören“. Drei weitere Ausstellungen sind zur Eröffnung in Vorbereitung.

Wenn Beton erblüht

Der Hauptdarsteller der Veranstaltung war aber fraglos die Fassade, die sowohl den anwesenden Künstlern Manfred Alois Mayr und Urs B. Roth als auch Architekt Anton Nachbaur-Sturm ein Dauerlächeln ins Gesicht zauberte. Insgesamt 16.656 einzelne „Betonblüten“ sind an den drei Seiten der Fassade angebracht, die damit sehr plastisch wirkt. Die zentrale Idee ist dabei das ständige Spiel von Licht und Schatten. Der Südtiroler Manfred Alois Mayr durchforstete bei seiner Recherche den Fundus des Landesmuseums. Diese Fundstücke kombinierte er mit dem Vorgehen von Archäologen, die anhand von Gefäßböden ermitteln, wie die Menschen zu verschiedenen Zeiten gelebt haben. So entstand die Idee, die Böden von handelsüblichen PET-Flaschen als Vorlage für das ornamentale Streumuster an der Fassade zu verwenden. Die „historische Variante“ findet sich im Inneren des Hauses selbst. Behälter aus Ton und Glas aus der Römerzeit, die sogenannten „terra sigillata“, zählen zum Museumsbestand.

„Quasichaotische“ Fassade

Die PET-Flasche, „dieses gewöhnliche wie typische Alltagsobjekt unserer Tage schlägt die Brücke zu den im Museum verwahrten antiken Gebrauchsgegenständen“, heißt es im Pressetext. „Schalen und Vasen, die dem Menschen seit jeher als Sammelbehältnisse für Nahrungsmittel und wertvolle Gegenstände dienten, stellen übersetzt auch einen direkten Bezug zu einer der inhaltlichen Kernaufgaben eines Museums, nämlich dem Sammeln her.“ Mayr verwendete dreizehn verschiedene Flaschen, z.B. Almdudler, Coca-Cola und Alpquell. Besonders wird die Fassade durch die Anordnung der „Betonblüten“. Urs B. Roth, ehemaliger Architekt und einziger Geometrie-Ingenieur der Schweiz, entwickelte ein spezielles Punktegitter. Diesem System liegt eine „quasichaotische Struktur“ zugrunde; also ein regelmäßiges Muster aus Ellipsen, regulär affinen Fünfecken und Quadraten.

Kunst und Bau

Für weitere „Kunst und Bau"-Projekte beim neuen Museum haben Maria Anwander („Kunst am Zaun") und Karl-Heinz Ströhle verantwortlich gezeichnet. Seine Gestaltung des Baunetzes deutet einen Theatervorhang an und soll Neugier auf die Neueröffnung wecken. Florian Pumhösl hat im Inneren des Hauses einen Panoramaraum entworfen. So wurde bei diesem Projekt die gesetzliche Vorgabe bei Hochbauten eingehalten, ein Prozent der Nettoerrichtungssumme für Kunst zu verwenden.

Vom Suchen und Finden

Beim anschließenden Rundgang durch das Gebäude erläuterte Anton Nachbaur-Sturm das Konzept, das Museum mittels bodentiefer Fenster zum Kornmarktplatz zu öffnen und möglichst viel Tageslicht in die Räume zu lassen. Aus dem früheren Innenhof ist ein 23 Meter hohes Atrium geworden.

Das Museum verbreitet insgesamt eine freundliche Atmosphäre, zu der auch der verwendete Lehmputz beiträgt. Dr. Andreas Rudigier, der neue Hausherr, hat das Gefühl, bei seinem Auftrag, der Suche nach Vorarlberg, bereits ein gutes Stück vorangekommen zu sein – „wenngleich ich hoffe, dass wir es nie finden werden.“