Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Karlheinz Pichler · 10. Nov 2018 · Ausstellung

Die Potentiale Feldkirch als inszenierte Installation

Die „Potentiale“, die dieses Wochenende wieder in Feldkirch über die Bühne geht, als klassische Designmesse zu bezeichnen, wäre völlig verfehlt. Die Organisatoren unter Projektleiter Ingo Türtscher tüfteln und feilen jedes Jahr am Format und überraschen immer wieder durch ausgefallene Locations und spezielle Inhalte. So wie die Veranstaltung mit viel Feingefühl und Ideenreichtum - abseits des üblichen Messeteils - durchkomponiert ist, ähnelt sie eher einer „inszenierten Gesamtinstallation“ denn einem kommerziellen Marktplatz.

Die Schauplätze der diesjährigen Potentiale liegen auf einer Achse zwischen Reichenfeld und Ardetzenberg. Sie reichen vom Pförtnerhaus, den Räumlichkeiten des Landeskonservatoriums und dem Alten Hallenbad bis hin zum Stadtstollen bei der Illschlucht und der Villa Müller. Wobei die axiale Verbindung zwischen den Locations zum Großteil von der Illpromenade gebildet wird, die ebenfalls in das Event-Konzept mit einbezogen wurde. Sie wurde von der St. Galler Agentur „Alltag“ in eine Art Plakatwald umfunktioniert. Von Maurus Hofer ins Bild gesetzt werden hier Dinge und Objekte der Begierde, von der Luxusuhr bis zum Designerstuhl, überlebensgroß fotografisch dargestellt, wobei die Eigentümer der speziellen Güter nur verschwommen im Hintergrund angedeutet sind.

Villa Müller

Ein besonderes Highlight der aktuellen Potentiale ist die Involvierung der in den 1960er Jahren auf dem Ardetzenberg erbauten Villa Müller. Der voluminöse Bau, der einst als Familien- und Repräsentationssitz eines Textilindustriellen errichtet wurde und von dem die exquisite Ausstattung aus den Sixties fast komplett erhalten ist, dient temporär einer Reihe Kreativer als Zentrale einer Ideenwerkstatt. Für die Dauer der Potentiale wird die Villa als Plattform für junge Designertalente genutzt. Wobei die Elaborate derart in das Raumgefüge des Gebäudes integriert wurden, dass man auf den ersten Blick glaubt, sie gehören zur Ausstattung des Hauses. Im Eingangsbereich stößt man hier etwa auf den „Tower of Turning Stories“ von Judith van Iersel und Ralf Gloudemans aus den Niederlanden. Dabei handelt es sich um übereinandergestapelte Schubladen, von denen jede einzelne ein Audio- oder Textstück zum Thema Migration freigibt, wenn man sie öffnet. „Mit Geschichten über Flüchtlinge möchten wir das Bewusstsein für das Thema Flucht schaffen und die Möglichkeit geben, leichter mit ihnen in Kontakt zu kommen,“ sagen die beiden Schöpfer des Turms. In den beiden Salons des Hauses finden sich installationsartig präsentierte Objekte etwa vom Rem Atelier (NL), dem Studio Martijn Rigters (Wien) oder Qianyu Zhu (D). Abgerundet wird das Ganze durch eine von David Berger zusammengestellte Fotoausstellung mit dem Titel „Splash“, die sich vom Gangbereich bis zum alten Pool im Garten der Villa hinzieht. Im Garten wird übrigens auch gekocht. Das bereits international berühmte niederländische Team „Piet & Crew“ wartet mit Peanut Sauce, Floating Wizard Burger und handgemachten Pommes Frites auf. Allein dieser Crew zuzusehen ist ein Genuss.

Stadtstollen


Spaziert man von der Villa Müller fünf bis zehn Minuten die Weinberggasse bergab in Richtung Illschlucht, steht man bereits beim Eingang zum Stadtstollen. Das ansonsten verschlossene Eisengitter ist geöffnet und die Potentiale-Besucher können fast 200 Meter tief in den Schacht eindringen. Bereits ab dem Eingangsbereich wird man von einem röhrenartigen Objekt, das an den Fangarm einer Tiefseekrake oder einen überdimensionalen Ausläufer einer mysteriösen Pflanze erinnert, ins Innere begleitet. Mitunter versperren kugelförmige „Früchte“ der Pflanze den Weg. Das vom Schweizer Künstler Frank Lüling aus Bauschaum gefertigte Objekt betitelt sich mit „Medusa“. Ganz tief innen im Stollen „spukt“ sie blauen Nebel. Untermalt wird die Installation von einem Klang-Cluster, den Nikolaus Gohm geschaffen hat. Ähnlich wie die „Medusa“ entwickelt und windet sich auch der Gohm-Sound in unterschiedlichsten Tonfärbungen durch die Gänge und entlang der feuchten Mauern.

Im „klassischen“ Teil der Potentiale zeigen an die 60 AusstellerInnen aus sieben Ländern wiederum ihre neuesten Produkte, Kollektionen, Designstücke und Kunstobjekte. Auf dem Programm stehen aber auch  ein Vintage-Markt, Workshops zur Herstellung von Seilkörben, Lampenschirmen, Linolschnitten und anderes, eine Potentiale-Werkstatt sowie etliche Vorträge.

Künstlerbücher

Nicht vergessen sollte man letztlich, in der von den beiden Künstlern Ferdinand Ruef und Pirmin Hagen organisierten "Buchhandlung für Künstlerbücher“ im Kleinen Saal des Konservatoriums vorbeizuschauen. Die hier offerierten Bücher verfügen über keine ISBN-Nummer und sind fast durchwegs ohne Verlag. Es sind kleine Auflagen, die selten bis nie in einer Buchhandlung zu finden sind. Man kann hier beispielsweise ein Comic-Heft von Christoph Lissy aus den frühen 1990er Jahren wiederentdecken oder Druckfrisches von Michael Mittermayer und Melanie Berlinger. Daneben wird die "Comiczeitschrift" "Franz" gezeigt und mit der Literaturzeitschrift Miromente ist auch ganz junge Literatur mit an Bord. Insgesamt gibt es Bücher von rund 25 Vorarlberger Kunstschaffenden zu sehen und anzugreifen. Sie kosten von 15 bis 150 Euro, Künstlerbücher für jeden also.

Die "Potentiale" 2018 kann noch am Sonntag, 11.11., von 10 bis 18 Uhr besucht werden.