Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Karlheinz Pichler · 27. Jul 2016 · Ausstellung

Die Kunst als Versuchsfeld innerer und äußerer Projektionen – Curt Scheiderbauer im Künstlerhaus Bregenz

Der Art Director, Grafiker, Maler und Objektkünstler Curt Scheiderbauer (1937-1912) hat ein umfangreiches Oeuvre hinterlassen, welches der breiten Öffentlichkeit bislang mehr oder weniger verborgen blieb. Die Stadt Bregenz, die über die Sommermonate im Künstlerhaus Palais Thurn & Taxis über 200 Gemälde und Zeichnungen, sowie skulpturale Arbeiten und Skizzen des Künstlers präsentiert, versucht hier eine Korrektur zu setzen. Wie die von Thomas Schiretz und Künstlersohn tOmi Scheiderbauer kuratierte, retrospektiv angelegte Werkschau belegt, spricht das von Curt Scheiderbauer geschaffene, umfangreiche Werk eine verdichtete, kompromisslose, aber auch vielschichtige Sprache.

Curt Scheiderbauer studierte von 1957 bis 1959 in Wien Wirtschaftswerbung und Grafik. Den Beruf des Grafikers, zunächst als Selbständiger, dann als angestellter Art respektive Creative Director, übte er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2001 aus. Dass Grafik als „Brotjob“ kein Nachteil für die Berufung als Künstler sein muss, belegen viele Beispiele. Das berühmteste ist wohl Andy Warhol, der zu einer der absolut wichtigsten Kunstfiguren des 20. Jahrhunderts avancierte. Kennzeichnend für Künstler, die von der Grafik kommen, ist ihr ausgeprägtes Gespür für Farbe und die Wirkung von Farbe im Raum.

Kunst als existenzielles Grundbedürfnis

Die Kunst als Versuchsfeld und Plattform für innere Projektionen stand für den 1937 in Dornbirn geborenen Farbenjongleur stets gleichbedeutend neben der Grafik. Wenn nicht darüber, denn im Verlauf der Jahre wurde das Anliegen Kunst immer mehr zum existenziellen Grundbedürfnis. Den Beginn dazu markieren figurative Auseinandersetzungen mit der direkten Umwelt. Mit Zeichenstift, Tempera und Aquarell setzte er Familie und Freunde ins Bild. Einflüsse der Popart und der „Roaring Sixties“ werden hier evident. Kompositionen mit Lack und Terpentin aus dieser Zeit sind Zeugen seiner Experimente mit Material und Form.

Transformationen

Curt Scheiderbauer war ein Transformator, ein Umwandler. Auf äußere Eindrücke und innere Empfindungen folgte häufig die künstlerische Reflexion auf dem Fuß. Wobei er sich durchaus nicht scheute, für die formalen Umsetzungen innerer Gärungsprozesse Anlehnungen von außen zu holen. So ist etwa die Anverwandtschaft in vielen Arbeiten, die in den 1980er und frühen 1990er Jahren entstehen, zum Vorarlberger Maler Hubert Berchtold (1922-1983) nicht zu leugnen. Bildstrukturen, die den Wechsel vom Gegenständlichen ins Abstrakte und wieder zurück thematisieren, treten in den Vordergrund, so wie auch die Farbe eine immer zentralere Bedeutung erlangt. Scheiderbauer ist ein Suchender, der die Abstraktion erprobt, mit deren Protagonisten er vertraut ist, ohne die Gegenständlichkeit, die immer wieder vor dem Zeitgeist flieht, ad acta zu legen. Und was einmal der russisch-französische Maler Nicolas de Stael postulierte, könnte auch für Scheiderbauer gelten: „Man malt nie, was man sieht oder zu sehen glaubt, man malt unter tausend Vibrationen die Initialzündung.“

Öffnung in den dreidimensionalen Raum

Scheiderbauers zweidimensionale Kompositionen von Licht, Raum und Farbe erfahren in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre eine unvermutet starke Öffnung in den dreidimensionalen Raum hinein. Sohn tOmi ortet hier die neue berufliche Tätigkeit als Kreativdirektor beim Großkonzern Hilti in Schaan, die ihm große gestalterische und auch finanzielle Freiheiten einräumt, als auslösendes Moment. Die Farben werden mit einem Male ungewöhnlich klar und unverfälscht, fast plakativ möchte man meinen. Die Skulpturen, die in Vielzahl entstehen, erwecken formale Bezüge zum Bauhaus und zum Minimalismus eines Donald Judd. Die persönliche Betroffenheit, die sich in früheren Arbeiten wie eine latente Patina über die Kunstwerke gelegt hat, scheint wie abgefallen. Eine Logik der Objektivität und schematischen Klarheit mag ihrem Durchbruch frönen. Eine auf einfache und übersichtliche Grundstrukturen reduzierte Formalsprache gewinnt Oberhand. Industriell gefertigte Materialien wie Holzprofile, Klötze, Stäbe oder Eisenträger werden zu Vehikeln farblicher und skulpturaler Überlegungen.

Endlich frei

Als der Künstler 2001 beruflich in den Ruhestand tritt, ist dies der Startschuss in das nun endlich freie Künstlerdasein. Die erste Zeit „danach“ verbringt er zusammen mit seiner Frau Dagmar vor allem in Spanien, wo er auch an Projekten der international tätigen und von Sohn tOmi Scheiderbauer mitgegründeten Künstlergruppe „c a l c“ (Casqueiro Atlantico Laboratorio Cultural) partizipiert. Geometrische Auseinandersetzungen mit Raum und Fläche stehen hier genauso auf dem Plan, wie neue Überlegungen zur Landschaft, sowie der architektonische Entwurf und die Planung des Wiederaufbaues einer alten „Ruine“.

Die eigene Kunstgeschichte schreiben

Die letzten Jahre (ab 2004) verbringt Curt Scheiderbauer in der Abgeschiedenheit Krumbachs im Bregenzerwald. Hier entwickelt der Vorarlberger Grafiker und Künstler nochmals seine eigene Kunstgeschichte. Es entstehen vielleicht die schönsten Beispiele seiner Farbfeldmalerei. In der Art, wie er monochrome Farbflächen stapelt und ineinander verschwimmen lässt und sich auf die Wirkung der Farben konzentriert, erinnern manche an den großen Mark Rothko. Aber auch Elemente der Arbeitsweise des irischen Künstlers Sean Scully (geb. 1945 in Dublin), den Scheiderbauer sehr geschätzt hat, schlagen durch. Ersichtlich etwa im klaren Bildaufbau, der aus verschiedenen Kombinationen von vertikalen und horizontalen Farbbahnen oder quadratischen Farbfeldern gespeist wird.

Generell lassen sich in Curd Scheiderbauers Bilder- und Skulpturenkosmos unzählige Zitate und Verweise auf internationale und lokale Kunstgrößen finden. Manche Künstlerkollegen machten ihm dieses „Weiden in fremden Gärten“ zum Vorwurf, ohne zu bedenken, dass Originäres heute praktisch gar nicht mehr möglich ist und alles sogenannte „Neue“ ein Sampling eines bereits Vorhandenen ist. Curt Scheiderbauer ist zeitlebens offen zu seinen „Quellen“ gestanden. Er hat diese äußeren Anlehnungen stets dazu benutzt, um eigene Aussagen formal zu transportieren. Aus heutiger Sicht ist es gerade diese Heterogenität, die sich durch sein ganzes Schaffen zieht, die dem OEuvre dieses Künstlers eine durchgängige Spannung verleiht.

Curt Scheiderbauer: Ein Leben in Farbe
Sommerausstellung der Landeshauptstadt Bregenz

Palais Thurn & Taxis Bregenz
Kuratoren: Thomas Schiretz & tOmi Scheiderbauer
B
is 28. August 2016
Di–Sa 14-18, So 10-18
www.bregenz.at
www.c-scheiderbauer.com