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Peter Niedermair · 09. Jul 2022 · Ausstellung

Die Arbeit meines Vaters – Alois Galehr in der Altacher Container-Galerie Vor-Ort

Alois Galehr ist hierzulande längst bekannt als der Wellpappe-Künstler. Bekannt wurde der in Nenzing lebende und arbeitende frühere Lokführer mit dem von Kurt Dornig produzierten Buch „Bananorama“. Dort gibt es einen Aufsatz des Kunstkritikers Karlheinz Pichler über die Kunst von Alois Galehr: „Die Ästhetik des Banalen“. In seiner aktuellen Ausstellung „Die Arbeit meines Vaters“ in der Altacher Container-Galerie Vor-Ort hat er die Außenfassade mit Wellpappe in Schindeltechnik drapiert.

In diese als Passepartout erscheinende Fassade eingelassen befinden sich drei Fenster, die jeweils als eigenständige Bilder lesbar sind. Dort gestaltet er aus seiner Erzählperspektive in komprimiert reduzierter Form die Geschichte seines Vaters, zu dem er sich in Beziehung setzt. Galehrs Idee ist, diesen Container in Relation zur Arbeit seines Vaters, der u.a. Dachdecker war, zu setzen und er geht auf eine zufällige Entdeckung bei einem Spaziergang in seiner Heimatgemeinde Nenzing zurück, wo er ein Bauernhaus sieht, dessen Eternitfassade gerade abgenommen und darunter eine in den 60er Jahren angebrachte Kartonschicht als Wärmedämmung sichtbar wird. Der Künstler erkennt unmittelbar, dass dies die Arbeit seines Vaters war und fragt sich in Gedanken, inwieweit diesem reliefartigen Gebilde eine künstlerische Intention zugrunde liegt. Seinen Gedanken fügt er in den biographischen Kontext seines Vaters ein, der 1947 im Alter von 24 Jahren in russischer Kriegsgefangenschaft in Gomel kleinere Skulpturen anfertigte, die der Künstler Galehr später am Dachboden seines Vaters fand. In diesen Figuren, die der Vater mit einem Skalpell schnitzte, das er angeblich von einer russischen Ärztin bekommen hatte, wird ein kreatives Talent des Vaters augenscheinlich. Diese Kleinstobjekte, reduziert geschnitzte Figuren, stellt Alois Galehr in einem der drei Fenster auf eine Plattform, ein ehemaliges Nagelkistchen, und gibt diesem den Titel „Meinem Zwerg auf alle Fälle“.

Eine Hommage an den Vater

Mit seinem Vater hat sich Alois Galehr, wie aus seinen Erzählungen durchgängig erschließbar ist, gut verstanden. Der Vater war ein Vorbild für ihn, er spricht sehr wertschätzend über ihn, der ihm in seiner Einschätzung und Zuordnung die wesentlichen Wege seines eigenen Lebens vorgezeichnet habe. Der Vater habe ihm eine Gitarre geschenkt, eine Staffelei, ihn immer wieder mit Stiften und Papier versorgt, die den Buben zu technischen Zeichnungen animierten. In Alois Galehrs Erzählung hatten die Kriegsjahre verhindert, dass der Vater sich persönlich entwickeln konnte; deshalb wollte er den Buben wie auch seine anderen Kinder fördern. In der Berufsschule konstruierte dieser Modelle aus Karton und anderem grauen Tonpapier, schnitt Ziegel aus und klebte diese in Collagen auf.
In seiner in früher Kindheit in Düns lebenden Familie mit insgesamt zehn Kindern, war Leonhard Galehr der Zweitälteste. Um diese Zeit herum, als die Familie damals in einer von der Gemeinde zugeteilten Notwohnung lebte, integriert er die Wand, eine Dämmung, die der kunstfaffine und handwerklich geschickte Vater schuf. Der Vater, dessen Lebensträume der Krieg zerstört hatte, habe viel gelesen, alte Bücher auf dem Dachboden gestapelt, absolvierte die Gesellenprüfung als Dachdecker. Die Familie lebte später in einem Siedlungshaus neben dem Milchhof in Gisingen. Der Vater sei ein lebensfroher Mensch gewesen, habe gesungen und musiziert, sei später nach Elbigenalp gegangen und perfektionierte dort seine Schnitzkunst; mit 64 Jahren sei er 1987 an einer Herzerkrankung gestorben. In einem Fenster der Containerwand, die mit Kartonböden von Schachteln verkleidet ist, sieht man auf einem Foto seinen Vater bei der Arbeit, wie er eine Hausfassade mit Karton deckt. Mit den paar ausgestellten Kleinskulpturen seines Vaters entsteht im Gesamtbild eine Hommage an seinen Vater, von dem zahlreiche intensive Impulse ausgegangen seien. Der Vater war integriert in der Nachbarschaft und ein geselliger Mensch, friedliebend und an den weltpolitischen Ereignissen brennend interessiert. Die drei Fenster in der Container-Galerie in Altach thematisieren die Geschichte seines Vaters, der Künstler selbst verdichtet dessen Biographie und spiegelt seine eigene in diesem historischen Rahmen. Zentrales Medium ist dabei der Karton, verschiedene Pappen, die er wie in einer archäologischen Komposition aneinanderfügt. Für den Vater war der Karton Isolationsmaterial. Mit der künstlerischen Inszenierung, dem Ins-Bild-Setzen des Vaters, gelingt Alois Galehr eine vitale Reminiszenz an den Vater; es entsteht eine leise, sehr persönliche Geschichte, eine biographische Spurenlese im Leben dessen.

Es ist alles schon da

Der Karton ist der rote Faden, das Mittel und Medium als Kunstzweck, mit dem der Künstler Alltagserfahrungen in Kunst übersetzt, seine Ideen und Intentionen transformiert. Eigentlich ist es im Kern und Wesen eine Übersetzungsarbeit. Die Materialien sind da. Er muss nichts kaufen, sondern verwendet Abfallprodukte; er sammelt den Karton, ordnet Größen und Farben, Seitenteile, schneidet sie mit einem Stanley Messer, ordnet sie zu Säulen, steckt sie in Schachteln, räumt auf, hortet, um Ordnung zu schaffen. Er folgt einem universell und familienhistorisch nachvollziehbaren Prozess, dass wir Menschen tendenziell kein Chaos hinterlassen wollen, weil dies Sicherheit gibt und Überblick verschafft. Reduzieren und Minimieren ist in diesem Fall das zugrunde liegende Prinzip. Wie in „Magic Cleaning“, dem Buch einer japanischen Künstlerin, ist der Gedanke verknüpft mit dem Verfahren, die Essenz herauszufiltern. Alois Galehr wählt dafür ein ökologisch-künstlerisches Prinzip, mit dem er über die Wahl seiner Kunstmittel hinaus eine zusätzliche Ebene tangiert, traditionell wertvolles Abfallmaterial in einen neuen Kreislauf einzubringen.

Alois Galehr: „Drei Fenster zum Weg“
Eröffnung der Ausstellung: 9.7., 17 Uhr – Mirjam Steinbock im Gespräch mit Alois Galehr
bis 30. September
Galerie Vor-Ort, Altach