Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Niedermair · 25. Mär 2019 · Ausstellung

Bildstein l Glatz in der Villa Claudia: Heroes Never Die

In der aktuellen Ausstellung in der Villa Claudia präsentiert KunstVorarlberg zwei Künstler, die auf der West-Ost-Achse zwischen Konstanz, der Kartause Ittingen und Wien - wieder einmal - Halt in Feldkirch machen. Sie sind „auf der Suche nach dem Sinn“ in der Kunst, lassen sich ein auf das „Spiel mit der Schwerkraft“, natürlich brauchen sie dabei „zu viel Platz!“, so viel, dass eine Arbeit die räumlichen Wände der Villa Claudia durchbrechend nach außen ragt und dieses Objekt sich mit seiner ganzen Schwerkraft von 600 kg auf dem Fenstersims des südöstlichen Ausstellungsraumes im zweiten Stock der Villa Claudia niederlässt.

Das österreichisch-schweizerische Künstlerduo Bildstein l Glatz nimmt das künstlerische Formenvokabular sehr häufig aus der Pop- und Funästhetik, aus der Welt des Sports, der unablässigen Bewegung, wie beim Marathon und anderen Extremsportarten, die von den beiden Künstlern mit einem elaborierten Formenvokabular in den Kontext der Kunst überführt werden. Die Konstruktionen, häufig aus Holz gebaut, sind jeweils ortsspezifisch, fallen ob ihrer ausgeprägten Farbigkeit, neon und explosiv, sehr schnell auf, und changieren mit viel Esprit und trockenem Witz zwischen den Koordinaten eines ästhetisierten Kunstobjekts und einer Spielwiese von Architektur und laden über die kleinformatigen Zeichnungen, die mit Stecknadeln an die Wand geheftet sind, als wären sie Anleitungen für den Bau ihrer Modelle, zumindest sind sie Konstruktionspläne, die als gedanklich-theoretische Modelle fungieren, zum spielerischen Nachforschen ein. 

LOOP THE LOOP 

Die beiden Künstler wissen längst, dass Sport in all den möglichen Ausprägungsformen heute weit mehr ist als „ein Freizeitvergnügen oder eine Strategie zur Körperertüchtigung“. Besonders deutlich wird dies an dem LOOP, 2017, die im Vorgarten der Kartause Ittingen ausgestellte farbenprächtige Schleife mit den Anklängen an die Popästhetik, eine waghalsige Rennbahn, die ihr Ideenarsenal aus dem Spiel von Skateboarden, BMX-Radfahren oder dem Autorennsport nimmt. Inmitten der ländlichen Idylle hat das Künstlerduo Bildstein | Glatz ein fantastisches Sinnbild und Gedankenspiel materialisiert: ein großer, farbiger Doppellooping aus Aluminium und Holz, der bis Mai 2020 auf der Wiese vor dem Kloster stehen wird. Der Doppellooping mit dem Schriftzug „LOOP THE LOOP“ spielt mit der Symbolik der gestauchten Acht, dem Zeichen für Unendlichkeit. Das Kreisen im Kopf ist der Impuls für eine intensive Reflexion über das eigene Tun und Dasein (vgl. Kulturzeitschrift Juli/August 2018). 

Suche nach Sinnstiftung 

Bereits der eben genannte LOOP in der Kartause Ittingen und seine abgewandelt partielle Re-Inszenierung in der Villa Claudia bringt eine der Kernideen der Bildstein-Glatz’schen Philosophie auf den Punkt. Die Suche nach der Sinnstiftung in der heutigen Gesellschaft, so die axiomatische Aussage, findet in der Welt des Sports und all seiner Phänomene statt und nicht mehr in traditionellen Institutionen wie etwa der Kirche. Sie thematisieren in ihrem künstlerischen Schaffen, weil sie „immer wieder explizit auf Extremsport und Spaßgesellschaft“ hinweisen und selbst „aktiv Extremkletterei“ betreiben, Marathon laufen und an illegalen Radrennen teilnehmen, das Spannungsverhältnis zwischen der „Vita activa des Sports und der Vita contemplativa des Geistes“. Vor Jahren haben sie im Feldkircher Palais Liechtenstein eine befahrbare Fahrrad-Rennbahn eingebaut und als vermittelnde Aktivität ein fulminantes Spektakel in Form eines Radrennens inszeniert. All das sind natürlich Anspielungen auf die paradox-fatale Welt des Extremsports, bei dem viele Waghalsige, die ihre Leistungen ins unmenschlich-Absurde steigern, zu Tode kommen, zu Märtyrern einer Gesellschaft werden, weil nur Höchstleistungen zählen.
Neue Unsterblichkeit versprechen die Derivate der Testosteron-geschwängerten Leistungsmystik, die durch die Red-Bull- und Viagra-Versprechungen und Verheißungen auf das längste, größte und geilste Ereignis eine Welt beschwören, die Unsterblichkeit verspricht. Die Kunst von Bildstein|Glatz nimmt dabei eine irgendwie absurde Position ein, sie verwickelt uns in eine Auseinandersetzung mit dem Sinn, verlangt dabei jedoch keine körperliche Anstrengung irgendwelcher Art, außer eben den Loopings und Kopfständen im Kopf. Als Besucher wird man durch das Narrativ der Ausstellung geführt, durch einen Kunst-Parcour gelenkt, der gleich nach Erreichen der oberen Stiegenhausplattform beginnt und uns an sog. Kundenstoppern, aus Holz und Holzimitat – auch hier „big pretenders“ – vorbei hineinschickt in die Co-Universen, vorbei an Schaufenstern, an Fingerprints, Schuhprofilen, zu einem Zelt, eine vorübergehende Überdachung aus der Inventarsprache von Events und ähnlichen Veranstaltungen, kurzfristig aufgebaut, inszeniert, um schon wieder abgebaut zu werden, schnelllebig und flüchtig wie die Wasserflasche, die der Radrennfahrer von sich wirft. An den Wänden Stücke, die man nicht so macht, wie sie dort hängen, sie sind upgecycelte Überreste aus anderen früheren Teilprojekten. 

„Talent has no Limits“ 

Im elysischen Kunstzentrum der Ausstellung schließlich, wie am vorläufigen Ende der irdischen Reise, die luftige, den Außenraum der Villa und des Parks inkludierende Installation, eine Kunstrampe. Ob formal an eine lilafarbene Halfpipe erinnernd oder eine Abschussrampe à la „Getting Away from It All“ suggerierend, hier schwebt der 600 kg Markstein des Bildstein-Glatz’schen Universums. Die Halfpipe, ein universelles Statement zur Kunst an sich, verweist in ihrer metaphorischen Semantik wie die reale, die die Wand der Villa Claudia „durchstößt“, in ein anderes Universum; eines mit vielen Fragen, mit denen sich die Systeme der Kunst und der ihr assoziierten Welten beschäftigen werden, u.a. wie denn die Welt der Kunst überhaupt noch präsentiert werden kann. Bildstein|Glatz haben dazu einmal die Fenster aufgestoßen und lassen die Besucher, Zuschauer und Betrachter dieser Kunst-Welt, frei nach dem Motto „Talent has no limits“ und „Party Hard“, mit entschiedener Leichtigkeit, die medialen Grenzen der Gattungen und Wertesysteme zu Hybriden verwischen sehen. Neben ihrem Zitatcharakter sind die Malereien, für die Philippe Glatz eher zuständig sei, alle mit der dritten Dimension verknüpften Objekte, Rampen und Rennbahnen, die ihnen als „Arena für ihren Aktionen dienen“, Requisiten eines performativ angelegten Gesamtkunstwerks, „in dem weder das einzelne Kunstwerk noch das Handwerk, sondern – in Anlehnung an Duchamp – die Handlung des Künstlers im Zentrum steht“. Dabei spielt die ironische Selbststilisierung zu Kunsthelden – HEROES NEVER DIE – die zentrale Rolle. Es geht nicht um die Künstler als Maler, sie als Künstler machen Bilder und verhandeln mit diesen ihre performativen und konzeptuellen Praktiken. Und bei all diesem Tun schaut die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts mit großen Augen zu und fragt sich, was denn der Schmierstoff dieser Geschichte gewesen ist, wie bei Andy Warhol, „From A to B and Back“ (derzeit noch im Whitney in NYC): „We Improve the World of Art“ legen die beiden Kunsthelden noch einen drauf. Loopthelooptheloop. Und Nena singt dazu. Erst jetzt, beim Blick ins Freie, am Ende der Ausstellung, verstehen wir ein bisschen mehr, wer die beiden sind: „We Exist to Make Art Better“.

Matthias Bildstein (geb. 1978) und Philippe Glatz (geb. 1979) lernten sich 1997 bei einem Graffiti-Event in Bregenz kennen. Seit 2003 arbeiten sie auf der Achse Konstanz - Wien zusammen als Künstlerduo Bildstein | Glatz.

alle Zitate, außer Andy Warhol, aus: Bildstein | Glatz. NR.1. Wien: Verlag für moderne Kunst, 2018

HEROES NEVER DIE
bis 7. April 2019
Fr 16 bis 18 Uhr | Sa 15 bis 18 Uhr | So 10 bis 12 und 15 bis 18 Uhr
KunstVorarlberg | Forum für aktuelle Kunst | Villa Claudia | Feldkirch  www.kunstvorarlberg.at